Digitalminister Karsten Wildberger fordert für Deutschland und Europa ein Umdenken im Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI), um international wettbewerbsfähig zu sein. «Aktuell sind wir überwiegend Kunde. Wir müssen stärker zum Entwickler und Anbieter werden», sagte der CDU-Politiker in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. «Für uns bedeutet Künstliche Intelligenz (KI) eindeutig eine grosse Chance: Die Entwicklung neuer Anwendungen eröffnet uns ein riesiges Wachstumsfeld.»
Wildberger räumte ein, dass US-Firmen bei KI-Basismodellen weit voraus seien, warnte jedoch vor einer zu defensiven Haltung. «Im Vergleich zu den USA müssen wir natürlich noch stärker wachsen – aber wir haben schon eine hohe Dynamik. Und es gibt viele Investoren, die ihr Geld in Projekten bei uns anlegen wollen», betonte er.
Es gebe längst herausragende Unternehmen in Deutschland und Europa, die auch im globalen Massstab führend seien, etwa das französische Startup Mistral AI oder die Heidelberger KI-Firma Aleph Alpha. Wildberger lobte zudem die KI-Modelle für die Bildgenerierung des Freiburger Unternehmens Black Forest Labs oder die Münchener Softwarefirma Celonis für ihre Produkte zur Optimierung von Geschäftsprozessen. Das Unternehmen werde mittlerweile mit 16 bis 18 Milliarden Euro bewertet. Auch von der Technischen Hochschule Aachen oder von DeepL aus Köln kämen «grossartige Lösungen.»
Um die digitale Souveränität Europas zu stärken, will Wildberger auf dem Digitalgipfel am 18. November in Berlin Politik, Industrie und Wissenschaft zusammenbringen. «Es soll kein ausschliesslich deutscher oder deutsch-französischer, sondern ausdrücklich ein europäischer Gipfel sein», betonte Wildberger. Dabei gehe es sowohl um KI und Cloud-Lösungen als auch darum, wie in Europa Partnerschaften entstehen können.
Partnerschaften auch mit US-Unternehmen
«Für mich bedeutet digitale Souveränität, dass wir im Technologiebereich Wahlmöglichkeiten haben. Um Technologie, Innovation, Software, Daten und künstliche Intelligenz gibt es einen riesigen Wachstumsmarkt. Daran müssen wir als Spieler aktiv teilnehmen», forderte der Minister.
Digitale Souveränität bedeute jedoch nicht Abschottung. «Denn digitale Souveränität heisst schliesslich nicht Protektionismus. Wir wollen und müssen anschlussfähig sein für den Weltmarkt», mahnte Wildberger. Partnerschaften, auch mit US-Firmen, seien dafür entscheidend.
Auf die Frage nach Bedenken, dass unter US-Präsident Donald Trump die Zusammenarbeit abrupt beendet werden könnte, sagte er: «Auch US-Unternehmen haben natürlich weiterhin das Interesse, im Ausland Geschäfte zu machen.» Wichtig sei, dass Firmen in Deutschland selbst entscheiden könnten, wo die Daten lägen, wer die Infrastruktur betreibe und ob man Software selbst weiterentwickeln könne.
Die Bedingungen für solche Partnerschaften hätten sich bereits verbessert. «Vor wenigen Jahren wäre es noch nicht möglich gewesen, dass ein US-Unternehmen eine Cloud-Infrastruktur in Deutschland betreibt, während die deutschen Kunden diese Infrastruktur zunehmend autonom nach ihren eigenen Vorstellungen nutzen», sagte Wildberger. «So können heute etwa Open-Source-Komponenten eingesetzt werden mit der Gewissheit, dass dieses Datacenter unter allen Umständen voll operabel ist - also nicht von aussen abgeschaltet werden kann.» Weil ein Restrisiko bleibe, müsse man aber zusätzlich auch eigene Rechenzentren aufbauen.
Der Digitalminister verwies zudem darauf, dass man beim Streben nach mehr digitaler Souveränität die gesamte digitale Lieferkette im Auge haben müsse. Diese sei lang und komplex. «Sie reicht von Seltenen Erden über das Chip Design, die Herstellung der Chips, die Hardware, den Server, über die Netztechnik bis zu den Kabeln. Und darauf setzt der Software-Betrieb auf, die Frage der Sicherheit bei Hard- und Software – und schliesslich die KI.»
(Reuters)