EZB-Direktorin Isabel Schnabel rechnet ungeachtet der Zinserhöhungen nicht mit einem raschen Rückgang der hohen Inflation in der Euro-Zone. "Kurzfristig könnte es sein, dass die Inflation trotz der jüngsten Zinsanhebungen noch weiter steigt", sagte Schnabel in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit "T-Online". "In unseren Prognosemodellen dauert es bis zum Jahr 2024, bis sich die Inflation wieder beim gewünschten Wert von zwei Prozent einpendelt."

Ein drohender Abschwung würde die Teuerung zwar dämpfen. Das berücksichtige die Europäische Zentralbank (EZB) auch bei ihren Zinsentscheidungen. "Das Ausgangsniveau der Zinsen ist aber sehr niedrig", sagte Schnabel. "Daher ist klar: Wir müssen die Zinsen weiter erhöhen." Sie gehe davon aus, dass der EZB-Rat in seiner nächsten Sitzung die Zinsen weiter anheben werde. "Wie gross dieser Zinsschritt sein wird und bis zu welchem Niveau wir die Zinsen anheben werden, kann ich derzeit nicht sagen", sagte die Währungshüterin. "Wir fahren auf Sicht und bewerten die Konjunktur- und Inflationsdaten vor jeder Sitzung aufs Neue."

Für den gesamten Euroraum gehe die EZB derzeit nicht von einer Rezession, sondern von einer stagnierenden Wirtschaft aus. "Die Situation in Deutschland ist leider schlechter", sagte Schnabel. "Deutschland ist aufgrund der starken Abhängigkeit von russischem Gas besonders hart getroffen. Hier lässt sich eine Rezession möglicherweise nicht vermeiden."

Eine Gefahr sei das Entstehen einer Lohn-Preis-Spirale, bei der Arbeitnehmer vor dem Hintergrund steigender Inflationserwartungen sehr hohe Lohnzuwächse fordern und Unternehmen diese dann durch noch höhere Preise weitergeben. Am Ende könnten sich Löhne und Preise gegenseitig hochschaukeln. "Derzeit sehen wir dafür aber noch keine Hinweise", sagte Schnabel. "Das Lohnwachstum hat sich erhöht, ist aber noch immer moderat."

(Reuters)