In Krisenzeiten steigt der Dollar. Das besagt zumindest eine alte Faustregel. Und tatsächlich wertete sich der "Greenback" auch während der Coronavirus-Krise kräftig auf. Der Grund: Weltweit tätige US-Unternehmen und grosse US-Investoren holten ihre Auslandsvermögen nach Hause. Das liess die Nachfrage nach Dollars steigen.
Doch nun folgt für die Devisenmarktakteure eine kalte Dusche. Mittwochnacht machte die US-Notenbank klar, dass die Leitzinsen noch bis Ende 2022 nahe bei Null verharren werden. Ausserdem will sie auch weiterhin monatlich für mindestens 120 Milliarden Dollar US-Staatsanleihen und verbriefte Schuldforderungen aufkaufen, wobei vor allem das Wort "mindestens" hervorsticht. Viele Experten sehen darin einen Hinweis, wonach die US-Notenbank ihre Wertpapierkäufe schon im September weiter ausbauen oder mit anderen geldpolitischen Lockerungsmassnahmen nachlegen könnte.
Das setzt dem Dollar zu. Gegenüber dem Franken fiel er vorübergehend auf 0,9425 und damit auf den tiefsten Stand seit Mitte März. Noch stärker geriet der "Greenback" im Vergleich mit den sogenannten Rohstoffwährungen wie etwa dem australischen Dollar unter Druck.
Taugt der Dollar überhaupt noch als "sicherer" Hafen?
Gemäss den Währungsstrategen von Barclays bergen die Aussagen der US-Notenbank eigentlich keine Überraschungen. Die Märkte hätten bereits vorweggenommen, dass die Zinsen auch in Übersee noch auf Jahre hinaus nahe bei Null bleiben, so schreiben sie. Bei der britischen Grossbank schätzt man die Aussichten für den Dollar wie bis anhin negativ ein.
Ähnlich sehen es die für die Deutsche Bank tätigen Berufskollegen. Sie befürchten, dass die amerikanische Währung ihren Status als "sicherer Hafen" in Krisenzeiten verlieren könnte. Ihres Erachtens hat der Dollar seine seit Anfang März aufgebauten Kursgewinne wieder abgegeben. Auch die Experten der Deutschen Bank gehen von weiterhin rückläufigen Dollarkursen aus und begründen dies unter anderem mit der hohen Wahrscheinlichkeit einer zweiten Pandemiewelle in den USA.
Der bekannte Markttechnikexperte Mensur Pocinci von Julius Bär wähnt den Dollar gegenüber dem Franken denn auch in einer entscheidenden Phase. Wie er schreibt, würde ein Rücksetzer unter die charttechnische Unterstützung zwischen 0,94 und 0,9450 Franken den seit 2015 entstandenen Seitwärtstrend in Frage stellen. Pocinci erhofft sich von den kommenden ein bis zwei Wochen wichtige Anhaltspunkte darüber, ob diese Unterstützungszone hält oder nicht.