Die Zahl der angebotenen Mietwohnungen in den Schweizer Ballungszentren kann mit der Nachfrage nicht mithalten. Bis in drei Jahren sollen über 50'000 Wohnungen fehlen. Das treibt die Preise nach oben und macht den Bau von Mietwohnungen attraktiver. Trotzdem bauen Investoren derzeit deutlich weniger als noch vor wenigen Jahren. Wie kann das sein?
Zum einen sind da die Gewinne der Vermieter: Wegen der steigenden Mieten wird ihnen oft vorgeworfen, auf Kosten der Mieterinnen und Mieter überrissene Renditen anzustreben. Doch Donato Scognamiglio, Chef der Immobilienberatungsfirma Iazi, hält dagegen: "Wir analysieren über 10'000 Mehrfamilienhäuser, und dort liegen die Nettorenditen mit Mieteinnahmen durchschnittlich bei knapp über drei Prozent." Hinzu kommen noch die Wertsteigerungen. Doch diese dürften nach den starken Anstiegen in den letzten Jahren künftig deutlich geringer ausfallen.
Vor der Zinswende konnten Investoren das Geld bei der Bank zu einem Zinssatz von einem Prozent aufnehmen. Nach den Zinserhöhungen der Schweizerischen Nationalbank sind für eine zehnjährige Festhypothek neu aber rasch drei Prozent Zins fällig.
Scognamiglio rechnet vor: Für sechs neue Wohnungen mit Mieteinnahmen von 150'000 Franken reichten vorher 30'000 Franken zur Bedienung des Kredits. In der neuen Zinswelt müssen dafür 90'000 Franken überwiesen werden. "Diese Zinsänderung ist der Hauptgrund, warum derzeit massiv weniger gebaut wird. Für Investoren geht die Rechnung nicht mehr auf, ausser sie gehen höhere Risiken ein", sagt Scognamiglio. Gleichzeitig machen die höheren Zinsen alternative Anlagen wie Pfandbriefe attraktiver.
Freie Wohnungen in der Peripherie, aber ...
Ein weiterer Grund ist die grosse Zahl an Zuzüglern in die Schweiz, wie Markus Meier, Direktor Hauseigentümerverband Schweiz, sagt: "Von einer solch starken Zunahme konnte der Immobilienmarkt nicht ausgehen. Die Situation dürfte sich mit dem Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahren weiter verschärfen." 2022 nahm die Schweizer Bevölkerung um 102'000 Menschen zu.
Der Mieterinnen- und Mieterverband spricht deshalb von einem Wohnungsnotstand und fordert Massnahmen gegen die steigenden Mieten. "Ich spreche lieber von einer Wohnungsknappheit. Schliesslich gibt es noch viele freie Wohnungen in der Peripherie oder auf dem Land", so Meier. Ende 2022 standen 1,31 Prozent der Wohnungen im Land leer – oft jedoch nicht dort, wo die Menschen leben möchten.
Verdichtung in den Städten stockt
Viele möchten in Städten wie Zürich, Genf, Winterthur, Basel oder Bern wohnen. Dort sind jedoch kaum Wohnungen frei. In den Städten soll höher gebaut werden. "Diese Verdichtung wird jedoch durch die aktuelle Rechtsprechung stark gehemmt", sagt Ursina Kubli, leitende Immobilienexpertin bei der Zürcher Kantonalbank. Einsprachen verhindern Projekte oft um viele Jahre oder gänzlich. "Ein Problem sind beispielsweise die hohen Lärmvorschriften, die zahlreiche Projekte verhindern. Die Lärmschutzbestimmungen müssten dringend gelockert werden, um auch in den Städten den benötigten Wohnraum zu ermöglichen", so Kubli. Auch die hohen Bodenpreise, Baukosten und die teilweise erschwerte Verfügbarkeit von Materialien machen Immobilienprojekte unattraktiver.
Für die Mieterinnen und Mieter dürfte eine Entspannung des Wohnungsmarkts mit einer bitteren Pille verbunden sein: Ein steigender Referenzzinssatz und damit höhere Mieten würden die Bautätigkeit ankurbeln und die Knappheit entschärfen.
Diese Artikel erschien zuerst bei "blick.ch" unter dem Titel: "Warum Immo-Investoren trotz Wohnungsnot zu wenig bauen"