Zwar wird Bundesbank-Präsident Jens Weidmann als Kandidat des Landes für die Nachfolge von EZB-Chef Mario Draghi gehandelt. Aber sein häufiger Widerstand gegen die Politik des Italieners könnte ihn für andere Länder inakzeptabel machen.
Sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel beschliessen, dass die grösste Volkswirtschaft Europas den Spitzenjob verdient hat, benötigt sie möglicherweise einen anderen Namen in der Hinterhand. Ihre Liste könnte den erfahrenen Klaus Regling, Weidmanns Stellvertreterin Claudia Buch oder andere Deutsche umfassen, die in den Startlöchern stehen.
"Es ist irgendwie merkwürdig, dass das grösste Land im Euroraum bisher noch nicht die Präsidentschaft der EZB inne hatte", sagte Stewart Robertson, Ökonom bei Aviva Investors. "In gewissem Sinne wäre es komisch, wenn es kein Deutscher wäre."
Die Nationalität sollte keine Rolle spielen, hat der französische Anwärter für den Posten, Benoît Coeuré, gegenwärtig Mitglied im EZB-Direktorium, gesagt. Er und seine Konkurrenten wissen jedoch, dass um die Führungsposition bei der Zentralbank sowie bei den bei der Europäischen Kommission und dem Rat zu vergebenden anderen Spitzenposten geschachert wird, wobei vorrangig ist, aus welchem Land der Kandidat kommt.
Weidmann, inzwischen ein Veteran im EZB-Rat und ehemaliger Wirtschaftsberater von Merkel, ist der offensichtlichste Kandidat Deutschlands. Er könnte jedoch Probleme haben das vom französischen Finanzminister Bruno Le Maire geforderte Profil zu erfüllen, der sagte, die EZB brauche jemanden mit ähnlichem "Mut" wie Draghi. Der EZB-Chef hat die Staatsschuldenkrise der Region mit seinem Instrument "Outright Monetary Transactions", das von der Bundesbank abgelehnt wurde, eingedämmt.
Es ist zwar noch nicht klar, ob die Bundeskanzlerin den Spitzenjob bei der EZB für Deutschland reklamieren wird, doch gibt es einige Alternativen, falls dies der Fall ist.
Gründervater: Klaus Regling
Der Chef des Europäischen Stabilitätsmechanismus, ein Sicherungsnetz für Länder, das während der Turbulenzen der Staatsschulden-Krise in der Region entstanden sind, verbrachte einen Grossteil der neunziger Jahre im Bundesfinanzministerium. Seine Rolle bei der Vorbereitung auf die Wirtschafts- und Währungsunion macht ihn zu einem der Architekten des Euro.
Regling wurde als möglicher Nachfolger des EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet genannt, bevor Draghi den Job bekam. Seine Fähigkeit, Kontroversen zu umschiffen, und seine Rolle bei der Interaktion mit Märkten könnte den Franzosen gefallen. Es fehlt ihm jedoch an Erfahrung im Zentralbankgeschäft. Und er würde 69 Jahre, kurz bevor Draghi geht und wäre bei seinem Amtsantritt der älteste EZB-Präsident.
Vor Ort: Claudia Buch Weidmann
Als Vizepräsidentin der Bundesbank begleitet Claudia Buch Weidmann häufig in den EZB-Rat. Vor ihrem Eintritt in die Institution im Jahr 2014 war sie Mitglied des Wirtschaftsberatergremiums der Bundesregierung. Sie sieht die EZB-Anleihenkäufe kritisch, aber sie könnte aufgrund ihrer Referenzen und ihres Geschlecht für die Regierungen der Europäischen Union attraktiv sein, wenn sie sich dafür entscheiden, den Mangel an Frauen in Spitzenpositionen anzugehen.
Der «Lone Ranger»: Marcel Fratzscher
Marcel Fratzscher, Chef des einflussreichen DIW-Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, könnte ausserhalb Deutschlands besser ankommen als zu Hause. Zuvor arbeitete er mehr als ein Jahrzehnt bei der EZB. Im vergangenen Jahr hat er ein deutsch-französisches Studienpapier zur Reform der Eurozone mit verfasst. Er hat in Deutschland häufig die EZB-Politik verteidigt, und für Merkels CDU könnte er als zu stark links tendierend gelten.
Ein ziemliches Comeback: Axel Weber
Der Verwaltungsratspräsident der Schweizer Bank UBS, Axel Weber, war der führende Kandidat für die Nachfolge von Trichet, bis er 2011 als Bundesbankpräsident zurücktrat, während Merkel seine Kandidatur vorantrieb. Dieses Debakel und die Nähe seiner Ansichten zu Weidmann machen einen weiteren Versuch unwahrscheinlich.
Strippenzieher: Jörg Asmussen
Jörg Asmussen, ein ehemaliges EZB-Direktoriumsmitglied, heute ein Banker bei Lazard, half während der Schuldenkrise der Region, die Zentralbankpolitik einem skeptischen deutschen Publikum zu kommunizieren, und spielte dabei eine wichtige Rolle in Verbindung mit den Finanzministern. Asmussen, der SPD-Mitglied ist, gewann gewissen Respekt bei einigen Mitte-Rechts-Politikern aus der Regierung Merkel. Asmussen verabschiedete sich nach nur zwei Jahren von der EZB und verliess nach einer kurzen Phase als stellvertretender Arbeitsminister die Politik.
Weitere Namen, die genannt werden, sind Martin Blessing, Enkel eines Nachkriegspräsidenten der Bundesbank. Er navigierte die Commerzbank AG durch die Finanzkrise 2009. Auch der bekannte Ökonom Clemens Fuest, der das ifo Institut in München leitet, wird als EZB-Präsident gehandelt.
(Bloomberg)