Der Ausverkauf an den internationalen Börsen begann am Donnerstag und setzt sich derzeit unaufhaltsam fort. Kritiker sehen die Schuld dafür auch bei der US-Notenbank Fed, die an ihrer Hochzinspolitik bislang festhält. Nachfolgend Fragen und Antworten zu den Ursachen für die Turbulenzen an den Märkten:
Was hat die Rezessionssorgen ausgelöst?
Überraschend schlechte Jobdaten. Im Juli entstanden nur 114.000 neue Stellen ausserhalb der Landwirtschaft. Ökonomen hatten mit 175.000 gerechnet. Der Stellenzuwachs lag damit nur noch knapp über der Marke von 100.000. Diese Kennziffer gilt unter Experten noch als ausreichend, um die wachsende US-Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter mit Jobs zu versorgen. Zudem stieg die Arbeitslosenquote von 4,1 auf 4,3 Prozent.
Warum ist der Arbeitsmarkt so wichtig?
Der private Konsum macht mehr als zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung aus. Werden weniger Jobs geschaffen und steigt die Arbeitslosigkeit, könnten die Verbraucher vorsichtiger beim Geldausgeben werden. Das wiederum könnte viele Unternehmen dazu veranlassen, bei Neueinstellungen und Investitionen vorsichtiger zu werden - was die Konjunktur belasten würde.
Gibt es weitere Auslöser für die Börsenturbulenzen?
Ja, das Debakel von US-Techkonzernen. Eingetrübte Aussichten hier, steigende Kosten für Künstliche Intelligenz (KI) dort: Mit ihren neuen Quartalsergebnissen sorgten sie weltweit für Enttäuschung. Amazon, Apple und Intel konnten mit ihren Bilanzen die hochgesteckten Markterwartungen nicht erfüllen. Seit Anfang 2022 wurden der Internetseite Layoffs.fyi zufolge allein in den USA 550.000 Beschäftigte der Technologie-Industrie vor die Tür gesetzt.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession?
Die Ökonomen der US-Investmentbank Goldman Sachs haben die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den USA für die kommenden zwölf Monate auf 25 Prozent angehoben. Bislang waren sie nur von 15 Prozent ausgegangen. Noch pessimistischer zeigen sich die Analysten von JPMorgan, die die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession auf 50 Prozent schätzen.
Auf welche Konjunkturdaten kommt es jetzt an?
Angesichts der abebbenden Inflation zeigen sich die Verbraucher zuletzt noch recht spendabel und steigerten ihre Ausgaben im Juni um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Doch ziehen über dem Dienstleistungssektor dunkle Wolken auf: Die Geschäfte sind im Juni laut der Umfrage des Institute for Supply Management (ISM) geschrumpft und sprechen damit für eine Konjunkturabkühlung. Deshalb rücken konsumsensible Indikatoren in den Fokus - von den wöchentlichen Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe über die Inflation bis hin zur Verbraucherstimmung.
Wie wird eine Rezession festgestellt?
In Europa wird bei zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit schrumpfendem Bruttoinlandsprodukt von einer Rezession gesprochen. In den USA entscheidet das private Wirtschaftsforschungsinstitut «National Bureau of Economic Research» (NBER), ob sich die Wirtschaft in einer Rezession (von lat. für «Rückgang») befindet. Es konstatiert aber oftmals erst nach einer solchen Abschwungphase, dass es diese gegeben hat. Unter Rezession wird ein deutlicher Rückgang der Aktivität über die gesamte Wirtschaft verstanden, der über mehrere Monate andauert. Dies muss in den Daten zu Industrieproduktion, Beschäftigung, Realeinkommen und Einzel- sowie Grosshandel zum Ausdruck kommen.
Wie hat sich die US-Wirtschaft 2024 bislang geschlagen?
Überraschend gut. Im zweiten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt auf das Jahr hochgerechnet um 2,8 Prozent - doppelt so schnell wie in den ersten drei Monaten. Dazu trugen auch wachsende Konsumausgaben bei. Allerdings: Mehrere Indikatoren signalisieren eine Konjunkturabkühlung. So hat die US-Industrie im Juni überraschend den zweiten Monat in Folge weniger Aufträge erhalten. Die Bestellungen sanken um 3,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat.
Hat die Notenbank Fed zu lange zugeschaut?
Zentralbankchef Jerome Powell hat zuletzt klargemacht, dass sich die Fed angesichts des abebbenden Preisauftriebs nicht mehr «zu 100 Prozent» auf die Inflation fokussieren muss. Doch hat sich der Preisauftrieb lange Zeit als äusserst zäh erwiesen, weshalb die Zentralbank bislang vor einer Zinswende zurückschreckte. Dies auch, weil die Fed Anfang des Jahrzehnts den Aufbau der Inflationswelle als temporäres Phänomen gedeutet hatte und somit auf dem falschen Fuss erwischt wurde. Mit der straffen Linie will sie den Konjunkturmotor abkühlen, wenn auch nicht abwürgen. Offenbar haben nun Investoren Zweifel daran, dass ihr dies gelingen wird.
Wie wird die Fed nun reagieren?
Die Finanzmärkte setzen darauf, dass Powell & Co schleunigst die Zinswende einleiten, und zwar auf der Sitzung im September. Zuletzt hielten die Währungshüter den Leitzins noch in der Spanne von 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent. Neben einem «normalen» Zinsschritt nach unten von einem viertel Prozentpunkt könnte es auch einen grösseren von einem halben Prozentpunkt geben. Die Volkswirte von Goldman Sachs erwarten, dass es die Fed bei einem viertel Prozentpunkt belässt und im November und Dezember zwei weitere «normale» Schritte nach unten folgen lassen wird.
(Reuters)
2 Kommentare
Es ist überhaupt keine Eile geboten mit einem sofortigen Widereinstieg in den Aktienmarkt.
Jetzt wird zuerst einmal eine Rezession mit einem globalen Wirtschaftsabschwung kommen.
Die Konjunkturdaten sehen nicht nur in der Schweiz und in Europa katastrophal aus, sondern beginnen auch erst jetzt in den USA nach unten zu drehen.
Die Kostensenkungs- und Abbauprogramme werden nach den Sommerferien in der Schweiz beschleunigt werden.
Da kommt noch viel auf uns zu.
Ausserdem sind noch immer sehr viele Börsenneulinge im Markt welche seit über vier Jahren nur steigende Kurse kennen.
Dieses zittrige Kleinanlegergeld muss erst noch in Panik verkaufen.
Rezession scheint bei vielen Anlegern ein Angstbegriff zu sein, v.a. weil sich nicht verstehen, was Rezession ist und warum eine Rezession im Lebenszyklus einer Volkswirtschaft von imminenter Bedeutung ist. Eine Rezession ist ein Bereinigungsprozess, der auf veränderte Rahmenbedingungen reagiert und so zB Unternehmen aus dem Markt bereinigt, die nicht mehr marktfähig sind, aber Ressourcen, zB Arbeitnehmer binden. Diese werden dann "freigesetzt" und sind für andere, wertschöpfendere Aufgaben wieder verfügbar. Das gilt grundsätzlich für alle Ressourcen, also alle Produktionsmittel und auch investive Mittel. Das ist ein gewollter und guter Prozess, ein notwendiger Prozess, denn nur so kann eine Volkswirtschaft über die Zeit effizienter werden (optimale Allkokation der verfügbaren Ressourcen).
Die ganze Schizophrenie im Aktienmarkt zeigt der KI Hype wunderbar. Was ist das Heilsversprechen von KI Aktien? Dass menschliche Arbeit automatisiert werden kann und so die Produktionskosten sinken, weil eine KI deutlich günstiger arbeitet als ein Mensch, die man dann entlassen kann. Und in dem Augenblick, in dem weniger Job geschaffen werden, also erste Anzeichen dafür da sind, dass durch KI tatsächlich die Produktionskosten reduziert werden können, gerät der Markt in Panik, weil weniger Jobs ja Rezession bedeuten soll. Also was jetzt? Sind wir jetzt froh, wenn die Beschäftigung sinkt und wir günstiger produzieren können oder wollen wir das gar nicht und haben daher mit KI komplett falsch investiert? Also manchmal... *kopfschüttel*....