Das Modellangebot bei Elektroautos wächst weiter rasant, vor allem von chinesischen Herstellern, wie in dieser Woche auf der Automesse in Peking zu besichtigen ist. Das Innovationstempo am globalen Leitmarkt bleibt hoch, und auch hier geben die Chinesen den Ton an. Geschwindigkeit ist dabei der grösste Trumpf, erklärt David Li, Chef des Autozulieferers Hesai. «In China werden die Dinge schneller billiger», sagt er. «Das liegt nicht daran, dass China billig ist. Es liegt daran, dass China schnell ist.»

Auf dem weltweit grössten Automarkt sind fast 400 reine E-Autos (BEV) und Plug-in-Hybrid-Modelle (PHEV) von über 100 Anbietern auf dem Markt. In diesem Jahr kommen voraussichtlich 110 neue dazu. Zum Vergleich: In Deutschland sind rund 210 BEV und PHEV im Angebot, davon etwa 90 der deutschen Autobauer.

«Ungesund» oder «Revolution»?

In China herrscht ein erbarmungsloser Preiskampf. «Derzeit wird Geld auf dem Markt ausgegeben, ohne dass die Möglichkeit besteht, das Geld zurückzubekommen», sagt etwa Volkswagens China-Chef Ralf Brandstätter und spricht von einer «ungesunden Situation». Analysten sind sich weitgehend einig, dass der Markt vor einer Bereinigung steht. Noch ist es nicht so weit. So erwartet Stefan Bratzel, Chef des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach, in den kommenden zwei, drei Jahren eine Konsolidierungswelle, bei der einige neue Hersteller vom Markt verschwinden könnte. «Der Preiskampf geht dem einen oder anderen an die Substanz. Diese Phase muss man überstehen.»

Chinas führende Autobauer haben Wege gefunden, die Entwicklungszeit ihrer Fahrzeuge drastisch zu verkürzen auf etwa 18 Monate von mehr als drei Jahren, wie Hesai-Chef Li erklärt. Die Lidar-Sensoren von Hesai kosteten nur halb so viel wie die derzeit Gebräuchlichen. «Es ist aufgrund der Geschwindigkeit und Innovation ein billigeres Produkt», sagt Li. «Viele Leute verstehen das vielleicht nicht ganz.»

Die schnelle Markteinführung kombinieren die heimischen Hersteller mit neuen Funktionen und einem Preisvorteil, den ausländische Konkurrenten nicht bieten können. «Das ist eine technologische Revolution», sagt Wang Xun, Gründer und Chef des in Shanghai ansässigen Autodesign- und Ingenieurunternehmens Launch Design. «Elektrisch, intelligent und smartes Cockpit sind die Erfolgsfaktoren, auf die die chinesischen Autobauer setzen», erklärt auch Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer, «und auf eine Revolution im Autobau, die von Tesla mit dem Giga-Casting, also grossen Aluminium-Druckgussteilen, angestossen wurde und die Produktionskosten ganz erheblich senkt.»

Porsche-Abklatsch «Baoshimi»

Die zehn meistverkauften Elektroautos – eine Liste, die vom heimischen Platzhirsch BYD und Tesla angeführt wird – machen derzeit mehr als die Hälfte der Verkäufe in China aus. Da mehr Produktionskapazitäten vorhanden sind als der chinesische Markt verkraftet, steigen die Exporte. Und noch mehr neue Wettbewerber drängen auf den Markt, darunter die Smartphone-Hersteller Huawei und Xiaomi, die sich mit Autobauern mit freien Kapazitäten zusammentun.

Xiaomi schafft mit seinem ersten serienreifen Modell in wenigen Jahren, was der US-Konkurrent Apple nach fast einem Jahrzehnt kürzlich aufgegeben hat. Das kürzlich vorgestellte SU7 ähnelt äusserlich so sehr einem Porsche, dass es den Spitznamen «Baoshimi» erhielt, eine Mischung aus den beiden chinesischen Markennamen. Mit einem Einstandspreis von umgerechnet 28.000 Euro unterbietet es das Tesla-Einstiegsmodell Model 3 deutlich. Xiaomi strebt dieses Jahr 100.000 Verkäufe an - das ist ein Wort für einen Neueinsteiger. Firmenchef Lei Jun zufolge sind schon 70.000 Bestellungen eingegangen. Das Unternehmen erwartet wie andere Anbieter ein Verlustgeschäft. Beliefert werde es von den selben Zulieferern wie die deutschen Premiumhersteller Audi, BMW und Mercedes-Benz, sagte der Xiaomi-Chef. «Mit solch teuren Zulieferern und Teilen wird die Bruttomarge nicht sehr hoch sein.»

Elektroauto von der Stange

Der Entwicklungsdienstleister Wang arbeitet unterdessen an der nächsten grossen Umwälzung. Launch, das den meisten Elektroautomarken in China mit Design- und Entwicklungsarbeit auf die Beine half, hat seine eigene Plattform entwickelt: «Launch EV One». Wang stellt den Crossover-Prototyp potenziellen Partnern, auch ausländischen, vor, die schnell ein marktreifes Elektroauto ohne Milliardenkosten haben möchten. «Wir arbeiten daran, die Eintrittsbarriere so weit wie möglich zu senken», sagt er. «Das wird eine weitere Art von Revolution in dieser Branche auslösen.» Launch könnte mit seinem Werk in Jiangxi Auftragsfertiger werden, ein Börsengang ist geplant.

Hunderte von Ingenieuren und Designern arbeiten Zwölf-Stunden-Tage an sechs Tagen die Woche an diesem Plan. Prototypen stehen vor der Tür an einer belebten Strasse. Überleben wird, wer schneller ist, sagt Wang. «Wir wollen auf dieser Welle reiten, statt von ihr überrollt zu werden.»

(Reuters)