Um für die Kunden Versorgungslücken zu schließen, strebe der Konzern Partnerschaften an, sagte die Leiterin des Bereichs "Laden & Energie", Elke Temme, in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. "Hierfür sind verschiedene Modelle denkbar, von der Produktpartnerschaft, über Joint Ventures bis hin zu Mergers & Acquisitions." Unter Temmes Führung hat VW markenübergreifend die Bereiche Energie, Ladeservices, -equipment und -infrastruktur gebündelt.

Für den Erfolg beim Kunden spielt in der Elektromobilität die Verbreitung von Ladesäulen, vor allem Schnellladesäulen eine entscheidende Rolle. "Wir wollen sicherstellen, dass wir ausreichend Infrastruktur im Markt haben", sagte die 53-jährige Managerin. Hier habe es Lücken in Italien, Spanien, aber auch Teilen von Großbritannien gegeben.

VW sei daraufhin Bündnisse mit Enel, Iberdrola und BP eingegangen. "Wir können uns vorstellen, dies mit weiteren Partnern in weiteren Regionen fortzuführen." Mit E.ON hat VW jüngst eine Schnellladesäule entwickelt, an der E-Fahrzeuge im Schnitt in einer Viertelstunde für eine Reichweite von rund 200 Kilometern versorgt werden sollen. Insgesamt peilt VW bis 2025 rund 45.000 Schnellladepunkte in Europa, Nordamerika und Asien an - fast viermal soviel wie heute. Tesla verfügt derzeit weltweit über ein Netz von rund 30.000 Ladepunkten.

"Wir verfolgen einen anderen Ansatz beim Aufbau der Ladeinfrastruktur als Tesla", betont die gebürtige Wolfsburgerin, die vor ihrem Wechsel knapp zwei Jahrzehnte für den Energiekonzern RWE tätig war. Bereits heute könnten die Kunden unabhängig von der Marke ihres Autos an über 250'000 Ladepunkten in Europa laden. "Und wir sind zuversichtlich, dass wir sehr schnell ein noch breiteres Angebot zur Verfügung stellen können."

Das Ladenetz von Tesla war bisher ein geschlossenes System. Anfang des Monats öffnete der US-Konzern in den Niederlanden erstmals die Säulen auch für fremde Marken. Mit seinem neuen Werk, das derzeit in Rekordtempo in Grünheide bei Berlin entsteht, greift Tesla-Chef Elon Musk Volkswagen quasi vor der eigenen Haustür an. Rund 500.000 E-Autos sollen bald in Brandenburg jedes Jahr vom Band rollen.

E-Auto als Bindeglied zwischen Auto- und Energiemarkt

VW treibt auch das Thema Plug & Charge voran. Dabei müssen die Kunden nur noch das Kabel einstecken, schon läuft der Ladevorgang samt Abrechnung. Die Authentifizierungsdaten sind im Auto hinterlegt, die Ladestation erkennt, wer gerade lädt. "Im ersten Quartal des kommenden Jahres wollen wir Plug & Charge an allen dazu fähigen Ladepunkten anbieten – unter anderem bei Ionity", erläuterte Temme. An dem Joint Venture zum Aufbau eines Schnelladenetzes sind neben Volkswagen auch Mercedes und BMW beteiligt.

Eine wichtige Rolle soll auch die Batterie der E-Autos für die Stromversorgung insgesamt spielen. "Wir wollen die Batterien unserer E-Fahrzeuge als flexible mobile Speicher im Markt nutzbar machen." So werde das E-Auto zum Bindeglied zwischen Auto- und Energiemarkt. Noch grösser werde das Potenzial aber in Kombination mit bidirektionalem Laden. Das Fahrzeug kann dann nicht nur laden, sondern auch wieder Strom abgeben. Die Batterie wird als flexibler Energiespeicher nutzbar und kann etwa im Falle eines Stromausfalls einspringen. Mit dem Modell ID.5 habe VW das erste bidirektional ladefähige Fahrzeug vorgestellt. "Nun entwickeln wir die ersten Geschäftsmodelle, die diese Funktionalität für den Kunden nutzbar machen."

Die Zahl der Mitarbeiter in ihrem Bereich werde weiter zunehmen, kündigte die Managerin an. Der Kernbereich Elli habe im vergangenen Jahr mit 50 Mitarbeitern angefangen. Heute seien es rund 150. "Im kommenden Jahr werden wir die Zahl der Mitarbeiter nochmal verdoppeln." Profitabel ist das Geschäft Temme zufolge im Ganzen bislang nicht. "Wir investieren in große Wachstumsfelder, die nicht immer im ersten Schritt Gewinne abwerfen müssen."

(Reuters)