Eigentlich ist Michael Hartnett, Chefstratege der Bank of America Merrill Lynch, ein Optimist, wie er im Buche steht: Er rechnet bis in den Frühsommer hinein mit steigenden Aktienkursen, einer Entspannung bei den Anleihenkursen sowie mit einem festeren Dollar.

Und dennoch rät Hartnett Anlegern auf längere Sicht zum Kauf von physischem Gold. Seine Begründung: Ausserordentliche Zeiten erfordern ausserordentliche Massnahmen.

Damit spielt er auf die noch nie zuvor dagewesene Konstellation an den Finanzmärkten an. Seines Erachtens schreien die Zinsen - die bankeigenen Aufzeichnungen zufolge auf dem tiefsten Stand seit 5000 Jahren liegen -, die niedrigsten weltweiten Fiskalausgaben seit 70 Jahren sowie der rekordhohe US-Aktienmarkt geradezu nach Marktexzessen. Der Weg zurück zur Normalität werde holprig und von Manie, Panik und Rückschlägen gepflastert sein.

Auf Sachwerte setzen - aber nicht auf irgendwelche

In einem von höheren Teuerungs- und Zinserwartungen geprägten Umfeld schneiden Sachwerte für gewöhnlich überdurchschnittlich gut ab. Allerdings sind die Immobilienpreise genauso wie die Aktienkurse bereits stark gestiegen. Dasselbe gilt für einige Rohstoffe. Aus diesem Grund sieht Hartnett die Anleger im krisensicheren Edelmetall besonders gut aufgehoben.

Die Gold-Unze kratzt an den Jahreshöchstständen (Quelle: www.cash.ch)

Sein bei der amerikanischen Investmentbank für Edelmetalle verantwortlicher Arbeitskollege sieht den Goldpreis insbesondere in der zweiten Jahreshälfte steigen. Der von ihm prognostizierte Durchschnittspreis von 1275 Dollar je Unze lässt allerdings darauf schliessen, dass die Bäume zumindest vorerst noch nicht in den Himmel wachsen werden. Denn schon heute liegt der Preis für eine Unze Gold bei 1255 Dollar und damit um gut 8 Prozent über dem Stand von Ende Dezember.

Goldpreis im Bann der zukünftigen US-Geldpolitik

Schon seit Jahren ist eine Wechselwirkung zwischen dem Goldpreis und dem amerikanischen Dollar zu beobachten. Steigt der Dollar, fällt der Goldpreis und umgekehrt. Dieses in der Finanzmarkttheorie auch negative Korrelation genannte Phänomen lässt sich damit erklären, dass Anleger im Edelmetall Schutz vor Teuerung suchen.

Da auch die Zinsen einen Einfluss auf die Entwicklung des Dollar-Kurses haben, entscheidet nicht zuletzt auch die zukünftige US-Geldpolitik über den Goldpreis. Nach drei Leitzinserhöhungen seit Dezember vor zwei Jahren gehen Ökonomen bis Ende 2017 von zwei weiteren Zinsschritten aus. In der jüngeren Vergangenheit ging die US-Notenbank die Sache aber eher gemächlich an, um die wirtschaftliche Belebung nicht zu gefährden.

Die Empfehlung des Chefstrategen der Bank of America Merrill Lynch zum Kauf von Gold ist aber denn auch eher ein längerfristiger Rat und zum Schutz vor Verwerfungen an den Finanzmärkten gedacht. Das würde auch erklären, weshalb er auf das physische Edelmetall und nicht auf die verbriefte Form (z.B. Finanzprodukte auf das Gold) setzt. Bei physischem Gold fällt nämlich das Gegenpartei-Risiko weg.