Im Strafprozess um die milliardenschwere Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard hat der Hauptangeklagte Markus Braun die Betrugsvorwürfe der Anklage zurückgewiesen. "Ich hatte keinerlei Kenntnisse von Fälschungen oder Veruntreuungen", sagte der ehemalige Vorstandschef am Montag vor dem Landgericht München. Er sei stets davon ausgegangen, dass das Geschäft mit Drittpartnern in Asien existiert habe und dass es die Gelder auf den milliardenschweren Treuhandkonten gegeben habe. Er habe sich auf eine ordnungsgemässe Buchführung und -prüfung verlassen und eine Sonderprüfung gegen Widerstände durchgesetzt, um die öffentlichen Vorwürfe auszuräumen.

Braun ergriff damit in dem Prozess erstmals ausführlich das Wort. Der 18. Juni 2020, an dem ein 1,9 Milliarden Euro schweres Loch in der Wirecard-Bilanz bekanntgeworden war, sei für ihn "ein Tag des tiefsten Bedauerns" für Aktionäre und Mitarbeiter und ein "Tag des Schmerzes" gewesen, sagte der Österreicher, der die Firma an die Börse gebracht und 18 Jahre lang geführt hatte. "Ein echtes Schockerlebnis." Anders als vielfach dargestellt, sei er bei Wirecard kein Alleinherrscher gewesen. "Das würde ich nach meiner Wahrnehmung überhaupt nicht so sehen." Der Vorstand habe stets gemeinsam entschieden.

Braun sitzt seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Zu Prozessbeginn im Dezember hatte er nur seine Personalien bestätigt. Das Landgericht hat für Brauns Aussage und seine Befragung mehrere Tage eingeplant. Braun sagte, er wolle dabei seine "ganz persönlichen Wahrnehmungen" und die Geschichte des Unternehmens schildern.

Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft Braun und zwei Mitangeklagten Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue und Bandenbetrug vor. Sie stützt sich vor allem auf den ehemaligen Statthalter von Wirecard in Dubai, Oliver Bellenhaus, der ebenfalls auf der Anklagebank sitzt. Der Kronzeuge hatte Braun schwer belastet: Das Drittpartnergeschäft habe nie existiert. Dessen Verteidiger hatte Bellenhaus' Ausführungen als Lügen zurückgewiesen.

«Tiefe Vertrauensbasis» zu Marsalek

Braun sagte, er habe eine Sonderprüfung des sogenannten Drittpartner-Geschäfts durch Wirtschaftsprüfer von KPMG wenige Monate vor dem Zusammenbruch gegen den für das Asien-Geschäft zuständigen Vorstand Jan Marsalek durchgesetzt. Damit sollten die Bilanzmanipulations-Vorwürfe gegen Wirecard "ein für allemal aufgeklärt und gelöst" werden. "Ich hab zu Marsalek gesagt, wir haben nichts zu verbergen. Marsalek hat gesagt, dann springen uns alle Händler ab." Transparenz könne das Geschäft zerstören. Noch nachdem die Sonderprüfung in die Wege geleitet worden sei, hätten Marsalek und Bellenhaus versucht, diese abzuwenden. Für ihn sei das jedoch bereits abgehakt gewesen. Später habe Marsalek die Untersuchung aber aktiv unterstützt.

Marsalek hatte sich kurz nach der Pleite abgesetzt und wird international gesucht. Er war laut Braun als 20-Jähriger zu Wirecard gekommen und 2010 zum Vertriebsvorstand aufgerückt. "Es gab in Wirklichkeit kein Leben ausserhalb der Firma", schilderte Braun die ersten gemeinsamen Jahre bei Wirecard. "Es war ein 7-mal-24-Stunden-System." Später habe sich das Verhältnis auf das Berufliche beschränkt. "Aber es war immer eine sehr tiefe Vertrauensbasis da." Marsalek habe "mit unglaublicher Energie" das Drittpartner-Geschäft ausgebaut. 

(Reuters)