cash.ch: Die Volatilität beim Bitcoin hat wieder zugenommen, es geht rassig hoch und runter mit dem Kurs. Hat das anstehende 'Halving' schon einen Einfluss?

Adrian Fritz: Es ist eine Kombination aus vielen Faktoren und das Halving ist nur einer davon. Mit dem starken Kursanstieg der letzten drei Monate dürfte ein gewisser Teil des anstehenden Halvings wahrscheinlich schon eingepreist sein. Auf der anderen Seite sind natürlich die im Januar eingeführten Bitcoin-ETFs, die viel Kaufdruck erzeugen. In Bezug auf die Volatilität waren jüngst auch Makro-Indikatoren involviert.

Beim anstehenden 'Halving' wird die Anzahl geschürfter Bitcoins reduziert.

Es gibt insgesamt 32 Halvings oder Halbierungen und es wird wahrscheinlich bis zum Jahr 2140 dauern, bis das maximale Angebot von 21 Millionen Bitcoins erreicht wird. Beim jetzigen Halving wird die geschürfte respektive geminte Menge von circa 900 auf 450 Bitcoin pro Tag reduziert. Dabei werden beim Schürfen neue Bitcoins geschaffen und ein neuer Block der Bitcoin-Blockchain angehängt. Dafür streichen die Miner eine Belohnung ein.

Wie geht es beim Bitcoin nach dem Halving weiter?

Rund um das Halving, welches wir momentan auf den 19. April 2024 prognostizieren, könnte es zuerst zu einer Konsolidierung und danach für ein paar Monate zu einer etwas ruhigeren Seitwärtsbewegung kommen. Dies hängt damit zusammen, dass die Prozesse gerade bei amerikanischen Grossinvestoren länger dauern und diese mit hoher Wahrscheinlichkeit die grossen Allokationen in Bitcoin-ETFs erst in sechs bis achtzehn Monaten tätigen werden. Die Due Diligence ist langwierig und das wird noch eine Zeit dauern.

Institutionelle Nachfrage und weniger Angebot sprechen mittelfristig wieder für höhere Kurse?

21Shares gibt keine Kursprognosen ab. Ich persönlich denke, die Marke von 100'000 Dollar beim Bitcoin kann geknackt werden und hernach ein paar Wochen später vielleicht gar auf 150'000 Dollar anziehen. Dies könnte im ersten Quartal 2025 eintreffen. 

Viele Anleger werden den Eindruck nicht los, dies sei eine spekulative Blase.

Wir haben an der Anzahl ausstehender Futures-Kontrakte auf den Bitcoin tatsächlich gesehen, dass mehr Spekulanten und Trader mit gehebelten Produkten in den Markt kamen. Die Anzahl offener Kontrakte stieg jüngst gar auf ein Allzeithoch. Und wenn es dann zu kleineren Schwankungen kommt, dann kommt es zu Liquidierungen - und verstärkt damit eben diese Volatilität. 

Steigende Kurse und steigende Volatilität. Bleibt das so? 

Es wird immer wieder Zeiten mit höherer Volatilität geben. Das ist normal. Aber im Trend über die letzten zehn Jahre sehen wir schon heute, dass die Volatilität deutlich abnimmt. Und je grösser die Adoption, desto mehr wird dieser Trend weitergehen. Was ich langfristig schade finde, denn eigentlich freue ich mich über diese hohen Schwankungen. Unsere Analysen zeigen, wie wichtig die Volatilität für den Bitcoin ist. 

Wieso kann Volatilität positiv sein?

Wenn man die richtige Bitcoin-Beimischung im Portfolio hat, dann ist das ideal. Der Anteil sollte gemäss unseren Modellen zwischen ein und fünf Prozent liegen. Dies, weil der Bitcoin meistens unkorreliert zu den anderen Assetklassen ist und die gewisse Performance mit sich bringt. Das Wichtigste, was wir immer sehen, ist das Rebalancing, sprich ein Portfolio im Gleichgewicht halten. Mit einem vierteljährlichen Rebalancing können die risikoadjustierten Erträge klar verbessert werden.

Was heisst Rebalancing konkret, wie funktioniert das bei der Bitcoin-Beimischung?

Aufgrund der hohen Schwankungen des Bitcoin ist es ratsam, gestaffelt ein- und auszusteigen. Steigt der Bitcoin im Kurs, so verkaufe ich so viele Bitcoins, dass mein Exposure wieder auf die definierte Gewichtung von zum Beispiel 2 Prozent zurückfällt. Sinkt der Bitcoin-Kurs dagegen und der Anteil im Portfolio fällt unter 2 Prozent, so kaufe ich Bitcoin hinzu, bis ich wieder eine Gesamtallokation von 2 Prozent erreicht habe. Diesen Prozess wiederhole ich am Ende jeden Quartals. Damit kann gerade das Abwärtsrisiko minimiert werden, und das ist ganz wichtig. Klar ist dabei auch, dass wir von einem zu hohen Bitcoin-Anteil im Depot abraten.

Sie haben mit dem 'ARK 21Shares Bitcoin ETF' 2,8 Milliarden Dollar eingesammelt. Sind Sie überrascht?

Ehrlicherweise ja. Wir hatten zwar grosse Hoffnungen und mit Cathie Wood und ARK Invest den perfekten Partner in den USA. Mit unseren fünf Jahre Track Record als Schweizer Firma und Crypto Native war dies die perfekte Symbiose. Wir waren nervös, weil wir mit den ganz grossen Vermögensverwaltern wie BlackRock, Fidelity, Wisdom Tree oder VanEck konkurrieren. Jetzt sind wir mit dem ARK 21Shares Bitcoin ETF die Nummer drei und wir sind stolz darauf. 

Soll eine Anlegerin oder Anleger Bitcoin direkt kaufen oder in einen Bitcoin-ETF investieren?

Ich kann beides empfehlen. Manche sind tech-affiner, manche nicht. Wenn man eher traditionell ausgerichtet ist und sich überwältigt fühlt von der Technologie, dann kann man das ganz einfach in ETFs oder an der SIX gehandelte Exchange Trade Products (ETP) investieren. Die Bitcoin-ETFs und ETPs sind im Portfolio drin und es gibt keine Fragen, wie es zu versteuern ist oder wie es sich im Portfolio verhält. Zudem muss ich mich nicht um die Private Keys kümmern. Auf der anderen Seite ist eine Direktinvestition halt wirklich im Spirit von Krypto. Und ich finde es eigentlich schön, wenn man das mal ausprobiert, wirklich selber seine Bitcoin hält. Es ist einfach ein einzigartiges Gefühl. Insofern sind beide gute Möglichkeiten.

Adrian W. J. Fritz ist Leiter Research bei 21.co, einer Tochtergesellschaft von 21Shares, und erstellt Makromarktkommentare und datengesteuerte Erkenntnisse für digitale Vermögenswerte durch die Analyse von Wirtschafts- und Blockchain-Indikatoren. Er schult Portfoliomanager in strategischer und taktischer Vermögensallokation. Er ist Dozent für verschiedene kryptobezogene Kurse an der HWZ Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Certified Crypto Finance Expert (CCFE). 

Thomas Daniel Marti
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