Seit mehr als 125 Jahren kontrollieren die Nachkommen des Schweizer Unternehmers Fritz Hoffmann-La Roche die Roche Holding AG. In diesen fünf Generationen hat die Familie Einigkeit bewahrt und den Wert des Basler Pharmakonzerns dank erfolgreicher Krebsmittel und zuletzt Covid-19-Tests auf 229 Milliarden Franken gesteigert. Den Roche-Clan hat das zu einer der zehn reichsten Familien der Welt gemacht.
Umso erstaunter waren die Anleger, als Roche bekannt gab, dass ein nicht namentlich genanntes Familienmitglied einen Anteil von 2,5 Prozent verkauft und damit gegen die langjährige Praxis verstösst, als Aktionärsgruppe gemeinsam zu handeln. Die Position konnte vergangene Woche zwar problemlos für 829 Millionen Franken verkauft werden, und die Kontrollposition der Familie stand nie in Frage. Dennoch löste sie Turbulenzen am Markt aus.
Sehr verschwiegene Familie
Der Schritt warf ein Schlaglicht auf die Angelegenheiten einer normalerweise sehr verschwiegenen Familie. Er warf auch Fragen zur Dauerhaftigkeit des Engagements der Familie auf, da viele Erben sich vom Unternehmen entfernt haben. Die Hoffmann-Oeri-Gruppe hielt am 31. Dezember 67,5 Prozent der stimmberechtigten Inhaberaktien des Konzerns, weitere 7,6 Prozent entfielen auf Maja Oeri, wie aus der Website des Unternehmens hervorgeht.
Roche und die Familie wollten den Verkäufer nicht nennen. In der Schweizer Presse wurde spekuliert, dass Maja Hoffmann aus der vierten Roche-Generation die wahrscheinlichste Kandidatin ist. Die Kunstsammlerin, Dokumentarfilmproduzentin und Philanthropin, die jüngst ein Kunstzentrum im sübfranzösischen Arles errichtete, verfügte laut Bloomberg-Milliardärs-Index zum Börsenschluss am Montag über ein geschätztes Nettovermögen von 5,8 Milliarden Dollar. Das Gesamtvermögen der Familie beläuft sich auf etwa 40,4 Milliarden Dollar.
Laut Roche besteht der Aktionärspool der Familie aus 15 Einzelpersonen, einer gemeinnützigen Stiftung und einer Holdinggesellschaft. Er hält die stimmberechtigten Inhaberaktien, während an der Börse vor allem mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien gehandelt wird. Die Struktur macht den Konzern weitgehend immun gegen feindliche Übernahmeversuche.
Familie im Management nicht vertreten
Die Inhaberaktien unterliegen zudem Verkaufsauflagen, wozu vermutlich ein Vorkaufsrecht für den Pool gehören dürfte, meint Samy Dwek, dessen Family Office Doctor vermögende Familien in Stiftungs- und Nachfolgefragen berät.
Kontinuität ist das A und O für Clans wie die Hoffmann-Oeris. Jörg Duschmale, Familienmitglied der fünften Generation, sagte in einem seiner seltenen Interviews anlässlich der Berufung in den Verwaltungsrat vor drei Jahren, seine Aufgabe sei es, "die erfolgreiche Familiengeschichte fortzusetzen und an die nächste Generation weiterzugeben".
Er und André Serenus Hoffmann sind die einzigen beiden Familienmitglieder im Verwaltungsrat. Im Management ist die Familie gar nicht vertreten.
Zurückhaltender Lebensstil
Die meisten Hoffmanns und Oeris pflegen einen unauffälligen Lebensstil, der nichts mit der Pharmazie zu tun hat. Unter ihnen sind Orthopäden und Jazzclub-Betreiber, sie engagieren sich für wohltätige Zwecke, die sich häufig auf Umweltthemen konzentrieren.
Maja Hoffmann, 66, ist vergleichsweise gut bekannt. Sie ist seit Jahrzehnten Kunstsammlerin, hat Dokumentarfilme über Künstler wie Marina Abramovic und Jean-Michel Basquiat produziert und war federführend bei der Entwicklung von Luma Arles, einem Kunstcampus in Südfrankreich, der 2021 eröffnet wurde. Der von Frank Gehry entworfene glitzernde Metallturm ist das Herzstück des 11 Hektar grossen Geländes, auf dem Kunst, darunter auch Werke von Hoffmann, ausgestellt wird und das Atelier- und Kooperationsräume bietet.
Der Verkauf von Roche-Inhaberaktien durch ein Familienmitglied ist zwar ungewöhnlich, aber keine Premiere.
Loyalität versus Eigeninteressen
Ein Familienmitglied der dritten Generation, Lukas Hoffmann, Mitbegründer des World Wildlife Fund und Majas Vater, verliess den Pool 2004 ganz. Maja Oeri, die zur vierten Generation gehört, nahm 2011 ihre Aktien aus dem Pool und hält sie seitdem in eigener Verantwortung.
In allen Dynastien müssen die jüngeren Generationen ihre Loyalität gegenüber dem Familienbetrieb und den älteren Angehörigen mit ihren eigenen Interessen und finanziellen Bedürfnissen in Einklang bringen. Eine häufige Quelle von Unstimmigkeiten ist die Frage, wieviel Geld entnommen werden und wieviel im Geschäft bleiben soll.
Laut Bloomberg-Berechnungen schüttete Roche von 2020 bis 2022 jährlich mehr als 720 Millionen Franken an die Familie aus. Auf der anderen Seite hat sich die Zahl der Mitglieder des Hoffmann-Oeri-Aktionärspools 2019 mit dem Beitritt von sieben Angehörigen der fünften Generation praktisch verdoppelt.
Den Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, aus dem Pool auszusteigen oder Anteile zu verkaufen, ist ein Schlüssel zur Erhaltung der Familienharmonie, so Dwek. "Wenn man sie zu Gefangenen macht, können sie zum Störfaktor werden", sagte er. Hier "hat man ein Umfeld geschaffen, in dem jemand stolz darauf sein kann, Teil der Gründerfamilie zu sein, und in dem er die Möglichkeit und Flexibilität hat, auszusteigen und seiner Leidenschaft zu folgen, ohne eine Fehde innerhalb der Familie auszulösen. Das Allerletzte, was man will, ist Dysfunktion."
(Bloomberg)
5 Kommentare
Die sog. verschwiegene Familie ist zerstritten! Das schwächste Glied hat jetzt verkauft und den Zorn der sog. verschwiegenen Familie extrem belastet. Da bleibe ich doch lieber der kleine Wurschtli mit geringem, sehr geringem, Aktienanteil.
Von der sicheren Dividende abgesehen, spricht nichts für ROG.
Werte wie Holcim oder Richemont zeigten einen stets steigenden
Kurs ohne Rücksetzer - und sind auch SMI- Werte; für ein kleines Wurschtli wie mich die sicherere Wahl.
Alles Guteünscht
hgrx
Die jetzigen Familienmitglieder haben nie etwas für die Firma getan sie haben nur Geld daraus abgeschöpft....Milliarden.... aber irgendwann werden gewisse Familienmitglieder nicht mehr im Pool bleiben und verkaufen ihren Anteil......das kann sehr schnell gehen..... dann sind die 65 % plötzlich weg und der Anteil fällt unter 50 %.... dann kann man Roche übernehmen...... den Angelsachsen und den Amis gefällt diese Beteiligungsstrategie schon lange nicht mehr..... Roche muss sich öffnen, wenn sie weiter bestehen bleiben wollen..... Vasella hatte die Vision, aber daraus wurde nichts...
Kompliment an diese Familie! …das gibt es leider nur noch sehr selten in dieser schnelllebigen Welt.
Wie war - ich bewundere diese Familiendynastie auch für ihr Engagement in vielen Sozial- und Umweltthemen. Warum die Milchkuh schlachten, die für jährliche Erträge sorgt? Die Skrupellosigkeit der gierigen Haie aus Übersee braucht die Schweiz und die Welt auf Dauer auch nicht.