Die letzten zehn Tage boten einen ersten Vorgeschmack, wie unterschiedlich die Mitglieder der amerikanischen Notenbank Fed die aktuelle Marktsituation beurteilen. Letzte Woche forderte zum Beispiel der Präsident der Federal Reserve Bank of Chicago, Austan Goolsbee - ein eigentlich zurückhaltendes Mitglied im Zinsfestsetzungsausschuss - mehr "Vorsicht, Wachsamkeit und Umsicht“ in der Geldpolitik und befürwortet deshalb eine Pause in der Zinspolitik. 

Angesichts der grossen Unsicherheit darüber, wohin dieser finanzielle Gegenwind führt, ist ein vorsichtiges Vorgehen angebracht. "Wir sollten weitere Daten sammeln und besonders vorsichtig sein, die Zinsen nicht zu aggressiv anzuheben, bis wir sehen, wie viel Arbeit der Gegenwind ausmacht, um die Inflation zu senken", so Goolsbee.

Ein paar Tage später hielt Fed-Gouverneur Christopher Waller eine Rede, in der er betonte, dass die Zinsen weiter steigen müssten. Dies, weil die Inflation "immer noch viel zu hoch“ ist. Da sich die finanziellen Bedingungen nicht wesentlich gestrafft haben, der Arbeitsmarkt weiterhin stark und ziemlich angespannt ist und die Inflation weit über dem Ziel liegt, muss die Geldpolitik weiter gestrafft werden, begründet Waller seine Haltung. 

Wie hoch die Zinsen letzten Endes in den USA steigen werden, hängt von den eingehenden Daten über die Inflation, die Realwirtschaft und das Ausmass dieser sich verschärfenden Kreditbedingungen ab. Dies zeigt sich deutlich in den Reden von Goolsbee und Waller, die zwei unterschiedliche Weltanschauungen veranschaulichen. Goolsbee konzentrierte sich auf die Wachstumsrisiken - die Worte "finanzieller Stress“ tauchten 10 Mal auf. Waller konzentrierte sich dagegen auf die hartnäckig hohe Inflation. 

In der nun laufende Woche haben sich erneut zwei Fed-Vertreter unterschiedlich geäussert. Der Präsident der Atlanta Fed, Raphael Bostic, sagte am Montag, eine weitere Zinserhöhung voraus, gefolgt von einem Halten der Zinsen. Unabhängig davon sagte auf der anderen Seite James Bullard, Präsident der St. Louis Fed, dass die Zinsen angesichts begrenzter Fortschritte bei der Inflation "weiter steigen müssen“. Er schlägt vor, dass beim Leitzins eine Spanne von 5,5 bis 5,75 Prozent angemessen wäre. 

Rezessionsgefahr dürfte zu mehr Dissonanz führen

Diese unterschiedlichen Meinungen innerhalb der Fed dürften dazu führen, dass die Verwirrung am Anleihemarkt zunimmt. Dies im Gegensatz zum letzten Jahr, als die Geldpolitik relativ geradlinig war. Die USA hatten die schlimmste Inflation seit 40 Jahren, der Arbeitsmarkt war historisch angespannt und die Verbraucherausgaben waren stark. Unter diesen Umständen weiss jeder Zentralbankneuling, dass man den Leitzins erhöhen sollte, und genau das hat die Fed in den letzten 13 Monaten unerbittlich und fast einstimmig getan - mit nur zwei Gegenstimmen seit März 2022.

Seither hat sich das Blatt gedreht. Die USA steuern auf eine Rezession zu, die viele Ökonomen – einschliesslich der Mitarbeiter der Fed – für die zweite Jahreshälfte erwarten. Das US-Bankensystem ist nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der Signature Bank instabil und es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Kreditgeber die Kreditbedingungen verschärfen werden.

Der gewerbliche Immobilienmarkt steht in diesem Jahr einer gefährlichen Herausforderung aus Schuldenfälligkeiten und sinkenden Immobilienwerten gegenüber. Und die ausserordentlich niedrige Zahlungsmoral der Verbraucher beginnt in Kategorien wie Autokrediten wieder zu steigen.

All dies ist ein Rezept für Machtkämpfe der Fed, insbesondere wenn Ökonomen mit einer "milden Rezession“ Recht haben – schmerzhaft genug, um Menschen arbeitslos zu machen, aber zunächst nicht so tief, dass die Inflation nachhaltig eingedämmt wird.

Kommunikation des Fed hat sich gewandelt

In den vergangenen Jahrzehnten musste sich die Fed über dieses Stimmengewirr in ihrer Kommunikation keine Sorgen machen. Meist vermied es einfach die Kommunikation. Der frühere Vorsitzende Alan Greenspan sagte 1987 vor einem Kongressausschuss: "Seit ich Zentralbanker geworden bin, habe ich gelernt, mit grosser Inkohärenz zu murmeln; Wenn ich Ihnen unangemessen klar vorkomme, müssen Sie meine Worte missverstanden haben.“

Erst 1994 begann die Fed damit, parallel zu ihren politischen Entscheidungen Pressemitteilungen herauszugeben; vorher mussten die Marktteilnehmer meist den Offenmarkthandel der Fed nach Signalen im Auge behalten. Aber seit Ben Bernanke 2006 Vorsitzender wurde, haben Fed-Vertreter häufig auch mit der Öffentlichkeit kommuniziert. 

Dennoch fühlt es sich heutzutage manchmal wie eine Überlastung der Transparenz an, da Fed-Sprecher fast ständig Kommentare in regionalen Wirtschaftsklubs, Universitäten und in Finanzfernsehsendungen abgeben. Das ist kein Problem, solange die Meinungen der Fed-Mitglieder einheitlich sind. Aber wenn dies nicht der Fall ist und viel auf dem Spiel steht, könnte dies in der Öffentlichkeit zu einem Vertrauensverlust in das Fed führen. In einer Rede von 2016 spielte der Vorsitzende Powell – damals ein Fed-Gouverneur – Bedenken über das "Kakophonie-Problem“ indessen herunter.

Er sagte, dass die Reden der Fed der Öffentlichkeit zeigen, dass im Ausschuss eine Vielfalt von Ansichten vertreten ist, und das sollte für Aussenstehende, die mit ihrer Politik nicht einverstanden sind, ermutigend sein. Etwas überraschend schlug Powell auch vor, dass diejenigen, die sich daran stören, einfach aufhören sollten, "in all dieser Kommunikation zu viel über den Weg der Geldpolitik zu lesen“.

Als Bernanke den Transparenzschub einleitete, ging es natürlich nicht nur um Rechenschaftspflicht. Die politischen Entscheidungsträger sahen "Transparenz“ als ein Instrument, um mehr Einfluss auf längerfristige Markterwartungen auszuüben. Autokredite, Hypotheken für Einfamilienhäuser und Marktzinsen für Unternehmensanleihen hängen alle zu einem grossen Teil von den längerfristigen Renditen der Staatsanleihen ab, nicht vom kurzfristigen Leitzins. Um den breiten Markt zu beherrschen, musste die Fed die politischen Erwartungen viele Jahre in die Zukunft steuern.

(Bloomberg)