Ein Elektrofahrzeug sollte deutlich umweltfreundlicher als ein herkömmlicher Benziner sein, oder? Nun ja - die Realität ist etwas komplizierter. Von Motormagneten mit giftigen Nebenprodukten bis hin zu Batterien, deren Herstellung Unmengen an fossilem Strom verlangt - E-Autobauer stehen noch vor etlichen Herausforderungen bei ihrem Bestreben, umweltschädliche Materialien aus den Lieferketten zu entfernen. Dabei ist es nicht nur der energieintensive Bau der Autobatterien, der bei den Entwicklern für Kopfzerbrechen sorgt.

Auch das Material, das zum Einsatz kommt, gilt als wenig nachhaltig - besonders die sogenannten seltenen Erden, die häufig aus China stammen, wo sie mit umweltverschmutzenden Chemikalien produziert werden. Der Druck von Regulierern und Investoren zwingt die Autobauer zum Umdenken. Das verschafft Firmen Chancen, die durch die Nachfrage nach nachhaltigen Rohstoffen und Prozessen Geschäfte wittern.

Etwa der britische Motorenhersteller Advanced Electric Machines (AEM), der unter anderem mit der Volkswagen-Luxusmarke Bentley zusammenarbeitet, um Elektromotoren ohne Seltene-Erden-Metalle zu entwickeln. "Unsere Kunden brauchen kosteneffiziente und nachhaltige Möglichkeiten, um Verbrennungsmotoren zu ersetzen, ohne dass sie tonnenweise dieses fiese Seltene-Erden-Zeugs in ihre Autos füllen müssen", bringt James Widmer, Chef von AEM, die Entwicklung auf den Punkt. Andere Unternehmen wie Addionics aus Israel beschäftigen sich mit der Batterie und der Frage, wie sie sauberer wird. Die Investoren achteten verstärkt auf Umweltaspekte, sagt Addionics-Chef Moshiel Biton. "Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was noch kommt."

Die sogenannten ESG-Ziele spielen eine immer wichtigere Rolle bei den Investoren. Unternehmen sollen nicht nur Gewinn machen, sondern auch den Umweltschutz (Environment), gesellschaftliche Aspekte (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance) beachten. Wer alle ESG-Kästchen abhakt, kommt auch leichter an Kapital, sagt Makram Azar, Chef der Londoner Investmentgesellschaft Full Circle Capital. Es gebe gar nicht genug ESG-konforme Unternehmen für die grossen Summen, die Vermögensverwalter für solche Investments bereithielten. Full Circle hat zum Beispiel in das britische Start-up Britishvolt investiert. Die Firma baut derzeit eine Batterieanlage für Elektrofahrzeuge, die ausschliesslich mit erneuerbarer Energie betrieben werden soll.

Ziel: CO2-Ausstoss senken

Das Hauptproblem bei Elektroautos bleibt ihre kohlenstoffintensive Herstellung: Sie müssen Tausende von Kilometern fahren, bevor sie die Umwelt weniger belasten als ihre spritschluckenden Gegenstücke. Insbesondere braucht die Produktion von Batterien viel Energie, weil mit hoher Temperatur gearbeitet wird und viel Aluminium zum Einsatz kommt.

Für die Autobauer heisst das, auch die Lieferkette mit in den Blick zu nehmen. "Wir schliessen neue Geschäfte nur mit Lieferanten ab, die einen Plan für Netto-Null-Emissionen haben", erklärt Andy Palmer, Konzernchef des britischen Elektroautobauers Switch Mobility, der dem indischen Nutzfahrzeugkonzern Ashok gehört. Die Autohersteller bewegten sich zwar in die richtige Richtung, sagt Costa Caldis, der für das operative Geschäft bei dem Lieferkettenspezialisten SAFE verantwortlich ist. Doch dies sei nicht schnell genug. "Die Stakeholder fordern Transparenz in der Lieferkette und nicht nur Erklärungen."

Die Reduzierung des Kohlenstoffausstosses in der Lieferkette sei ein wichtiger Bestandteil der Konzernstrategie von BMW, betont Thomas Becker, für Nachhaltigkeit bei dem Münchner Unternehmen zuständig. BMW habe mit allen seinen Batterielieferanten und vielen seiner Stahl- und Aluminiumlieferanten vereinbart, dass ihre Materialien nur mit erneuerbaren Energien hergestellt werden dürfen, sagte Becker auf einer Konferenz in London im März. Der CO2-Fussabdruck lag BMW zufolge bei zwölf Tonnen pro Fahrzeug im Jahr 2019. Mit den neuen Plänen von BMW zur Reduzierung des Ausstosses soll dieser Wert bis 2030 auf neun Tonnen gesenkt werden.

Bisherige Nachhaltigkeitsbemühungen der Unternehmen werden oft als vage oder als "Greenwashing" - sprich reine PR-Massnahmen - verspottet. Switch etwa kaufe Emissionsgutschriften, um den Kohlenstoffverbrauch bei der Herstellung von Metallkomponenten auszugleichen, sagt Palmer. Diese Zertifikate werden jedoch von Aktivisten kritisiert, weil der transnationale Emissionsmarkt aus ihrer Sicht zu einem grundlegenden Antagonismus zwischen dem Zertifikate-Handel und den nationalen Klimaschutzmassnahmen führt. Wenn Klimagasemissionen zu einer handelbaren Ware werden, wird die Verschmutzung gewissermassen legitimiert: Wer es sich leisten kann, darf weiter "sündigen" und sich einfach mit Zertifikaten "greenwashen". Auf die Autobauer dürfte der Druck also weiter steigen. 

(Reuters)