Das blaue Auge war schwer zu übersehen – und doch fiel es kaum jemandem auf. Vielleicht lag es an Musks DOGE-Mütze, oder an seinem Nackenrollen oder daran, dass alle auf US-Präsident Donald Trump starrten. Es dauerte 40 Minuten bis jemand die offensichtliche Frage stellte: «Was ist mit Elons Gesicht passiert?»

«Ich sagte: 'Nur zu, schlag mir ins Gesicht', und er tat es», erklärte Musk und bezog sich auf seinen fünfjährigen Sohn X. Ein verstörend beiläufiger Moment – am 30. Mai 2025, bei seiner Verabschiedung im Oval Office.

Die Szene war symptomatisch für Musks kurze, chaotische Zeit an der politischen Macht – und der Anfang eines Sturzes.

Nur wenige Monate zuvor hatte Musk eine zentrale Rolle in Trumps zweiter Amtszeit eingenommen. Als Chef des von ihm selbst geschaffenen «Department of Government Efficiency» (DOGE) wurde er zu einem der einflussreichsten Männer in Washington.

Musk inszenierte sich als staatlicher Zerstörer: Er kürzte Mittel für Lebensmittelbanken, verspottete Beamte und brüstete sich damit, Bundesbehörden «in den Holzhacker» zu schicken. Er verlangte Zugang zu sensiblen Militärdaten – und bekam ihn. Regierungschefs, die Trump gefallen wollten, erteilten SpaceX Lizenzen, Werbekunden kehrten nach Skandalen zu X zurück, und Teslas Aktienwert stieg.

Die Allianz zwischen dem Tech-Milliardär und dem Präsidenten wirkte perfekt: Musk hatte 300 Millionen Dollar zur Wahlkampffinanzierung beigetragen, pries Trump in sozialen Medien. Im Februar schrieb er: «Ich liebe @realdonaldtrump so sehr, wie ein heterosexueller Mann einen anderen Mann lieben kann.» Im März trug er bei einer Kabinettssitzung eine Kappe mit dem Slogan: «Trump hatte mit allem Recht!» Die Investoren liebten es. Teslas Marktwert schoss in die Höhe, auch SpaceX und xAI sammelten frisches Kapital.

Doch die politische Selbstdarstellung Musks begann zu schaden. Seine Popularität sank dramatisch – laut Umfragen liegt sein Beliebtheitswert bei minus 20 Prozent, deutlich schlechter als Trumps. Tesla-Käufer wandten sich ab, Influencer machten sich über ihn lustig, sogar Anti-Musk-Aufkleber tauchten auf Tesla-Fahrzeugen auf. Die Verkaufszahlen fielen, der Aktienkurs brach ein.

Doch das wirkliche Problem begann erst, als Musk öffentlich mit Trump brach. Nur wenige Tage nach seinem Auftritt im Oval Office startete Musk auf X eine Wutkampagne. Er behauptete, Trump sei nie ohne ihn gewählt worden – und bezichtigte ihn dann, ohne Beweise, der Mitwisserschaft an den Verbrechen Jeffrey Epsteins. Trump konterte: Er werde alle Verträge mit SpaceX beenden.

Musk versuchte Schadensbegrenzung, löschte die Epstein-Behauptung, entschuldigte sich halbherzig. Doch der Riss war nicht zu kitten.

Als Trump Anfang Juli öffentlich erklärte: «DOGE ist das Monster, das zurückgehen und Elon fressen könnte», war klar, dass Musk politisch isoliert war. Und das in einem Moment, in dem seine Geschäftsinteressen dringend politische Rückendeckung gebraucht hätten. Mit dem neuen «One Big Beautiful Bill» kürzte Trump nicht nur die Sozialhilfe, sondern auch E-Auto-Subventionen – ein direkter Schlag gegen Tesla.

Musk, öffentlich verärgert, verlor nicht nur Zugang zu Förderungen, sondern auch Trumps protektionistische Unterstützung. Die Abhängigkeit Musks von Staat, Markt und Investoren machte sich schmerzhaft bemerkbar: Tesla ist auf Steuervorteile angewiesen, SpaceX auf Regierungsaufträge, xAI auf frisches Kapital. Und Musk selbst ist reich an Aktienwert, aber arm an Liquidität – ohne Anlegervertrauen ist sein Unternehmens-Imperium verwundbar. Und der US-Präsident hat das Temperament und die Mittel, um Musks Firmen zu schaden. Aber auf der Liste der Risikofaktoren für Elon Inc. muss sich Trump hinter Musk selbst einreihen:

Elon vs. Tesla 

Am 22. Juni lud Musk eine Handvoll Tesla-Influencer nach Austin, um den «Beginn einer neuen Ära des Reisens» zu feiern: das Robotaxi. «Dies ist ein historischer Tag», jubelte ein Investor zu Beginn eines Livestreams. Was folgte, war ein Chaos aus Wartezeiten, Fehlfunktionen und einer zwölfminütigen Fahrt im Model Y – technisch unspektakulär, verglichen mit Konkurrenzmodellen.

Die Präsentation war symptomatisch für Musks Versprechen: Seit 2015 kündigt er selbstfahrende Teslas an – «eine Million Robotaxis bis 2020» hiess es einst. Geliefert wurde bislang nichts. Trotzdem trieben Investoren Teslas Börsenwert in absurde Höhen. Professionelle Anleger wie Cathie Wood sahen in Tesla mehr als einen Autohersteller – ein Tech-Versprechen. Zum Vergleich: Der Marktwert von Tesla ist etwa 20 Mal höher als der von General Motors und das Unternehmen verkauft dreimal so viele Autos. Für diese Diskrepanz gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder ist Tesla im Vergleich zu anderen Autoherstellern stark überbewertet, oder das Unternehmen steht vor einem massiven Wachstum.

Doch Tesla befindet sich derzeit auf dem Rückzug: Anfang 2025 meldete Tesla erstmals sinkende Jahresumsätze. Zwei Quartale in Folge gingen die Auslieferungen zurück. Der Cybertruck floppt. Das günstige Modell für neue Käuferschichten wurde gestrichen. Musk kürzt Preise, statt neue Produkte zu liefern.

Sein politischer Rechtskurs verschärft die Lage. Ehemalige Fans kehren Tesla den Rücken, Besucherzahlen in den Niederlassungen sinken. Im Mai sagte ein Ex-Vertriebschef: «Man kann keinen Aufkleber mit ‚Ich hab’s gekauft, bevor er verrückt wurde‘ auf ein neues Model Y kleben – da war er schon verrückt.»

Auch intern rumort es: Führungskräfte gehen, Mitarbeitenden erfahren über deren Abgänge via X, das Vertrauen sinkt. Der Aktienkurs bricht ein. Musk verspricht stattdessen erneut die Zukunft – ein zweisitziges Robotaxi «ab nächstem Jahr» und Lobbyarbeit für nationale Zulassungen.

Doch Trumps neue Politik droht zur existenziellen Gefahr zu werden: Seine Regierung streicht die 7500-Dollar-EV-Prämie – ein herber Rückschlag für Tesla. Zudem kippt sie ein System von CO₂-Strafzahlungen, aus dem Tesla jahrelang Milliarden geschöpft hat. Der politische Rückenwind ist verflogen – und Musk plötzlich auf Gegenkurs.

 Elon vs. SpaceX

Lange galt SpaceX als Musks verlässlichstes Unternehmen: Technologisch überlegen, militärisch strategisch, wirtschaftlich stabil. COO Gwynne Shotwell führt das operative Geschäft, während Musk Visionen liefert.

2024 brachte SpaceX 84 Prozent aller Satelliten in die Umlaufbahn – und ist für bemannte NASA-Missionen unverzichtbar. Konkurrentin Boeing hingegen scheitert weiterhin mit dem Starliner: Nach Pannen warteten zwei Astronauten monatelang im All auf eine SpaceX-Kapsel zur Rückkehr.

Doch Musk ist auch hier zum Risiko geworden. Als 2023 bekannt wurde, dass er der Ukraine die Nutzung von Starlink bei einem Krim-Angriff verweigerte, wuchs die Sorge über seine Macht. Politiker forderten Alternativen. 2024 folgten neue Vorwürfe: Starlink soll Taiwan blockieren. SpaceX wies die Vorwürfe zurück – doch der politische Wind drehte.

Trump, einst Musk-Fan («Deshalb liebe ich dich, Elon»), besetzte Schlüsselposten zu Musks Vorteil. Doch nach Musks Kritik am neuen Steuergesetz zog Trump die Nominierung von Jared Isaacman als NASA-Chef zurück – ein SpaceX-Verbündeter.

Musk reagierte mit einer Drohung: SpaceX werde sein Dragon-Raumschiff stilllegen – was NASA-Missionen gefährden würde. Kurz darauf ruderte er zurück. Trotzdem war klar: Die Regierung sucht nun aktiv Alternativen.

Parallel wackelt Starlinks US-Perspektive. Die Breitband-Subventionen aus Bidens Infrastrukturprogramm scheinen für Starlink verloren – zu politisch riskant. Analysten sehen die Zukunft eher im Ausland.

Und Starship? Die Rakete soll Marsflüge ermöglichen, hängt aber dem Zeitplan Jahre hinterher. Technische Probleme – besonders bei den Hitzeschilden – bleiben ungelöst. Im Juni explodierte das Raumschiff erneut beim Test. Währenddessen erhielt SpaceX grösster Konkurrent, Boeing, im Rahmen einer Erweiterung im neuen Steuergesetz vier Milliarden Dollar zum Weiterbau der SLS-Rakete.

Elon vs. X

Am 9. Juli präsentierte Musk mit grosser Geste Grok 4, den neuen Chatbot von xAI – der Firma, die er mit X verschmolzen hat. Während SpaceX stabil läuft, ist xAI bisher sein riskantestes Projekt – aber auch das, dem er die meiste Aufmerksamkeit schenkt. Musk nannte Grok «intelligenter als die meisten Doktoren» und kündigte an, dass die KI bald neue Technologien erfinden werde.

Doch Groks Performance war alles andere als brillant. Nutzer berichteten, dass der Chatbot antisemitische Memes, rassistische Aussagen und verschwörungstheoretische Inhalte reproduzierte. Musk sprach von Manipulation durch User, gab aber zu, wie schwer es sei, zwischen «woke libtard cuck» und «mechahitler» zu balancieren – sein Versuch, den Spagat zwischen linken und rechten Extremen ironisch zu kommentieren.

Ende Juni hatte Musk 10 Milliarden Dollar für xAI eingesammelt und will weitere 10 Milliarden holen. Investoren verspricht er nicht weniger als eine «Neuschreibung des gesamten menschlichen Wissens». Doch laut Unterlagen soll Grok dieses Jahr 13 Milliarden Dollar verbrauchen – bei nur 500 Millionen Umsatz. 2 Milliarden kamen offenbar von SpaceX.

Musk will, dass auch Tesla investiert – das ebenfalls KI-Ambitionen hat und nun mit xAI um Talente und Musks Zeit konkurriert.

Am 8. Juli schlug Analyst Dan Ives dem Tesla-Vorstand in einer alarmierten Notiz vor, Musk mit 100 Milliarden Dollar in Aktien zu belohnen – damit er xAI mit Tesla fusioniert und sich stärker an das Unternehmen bindet. Kritiker spotteten: Warum sollte man destruktives Verhalten belohnen? Musks Antwort war typisch: «Halt die Klappe, Dan», postete er auf X. Den Nachmittag verbrachte er damit, noch mehr über Jeffrey Epstein und Trump zu twittern, dann streamte er sich selbst beim Spielen von Videospielen. Der Aktienkurs von Tesla schloss mit einem Plus von 1 Prozent.

(Bloomberg/cash)