Der Europaabgeordnete müsse operiert werden, teilte die SPD in Sachsen am Samstag mit. Die Tat ereignete sich Freitagabend. Sie löste parteiübergreifendes Entsetzen aus. «Wir erleben hier eine neue Dimension von antidemokratischer Gewalt», erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die Sozialdemokratin kündigte an, rasch mit den Länder-Innenministerinnen und -Innenministern über die zunehmende Gewalt gegen Wahlkämpfer zu beraten. «Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kennen wir aus den dunkelsten Epochen unserer Geschichte», schrieb Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) auf der Plattform X. Er sei schockiert.
Ecke wurde nach SPD-Angaben auf offener Strasse im Dresdner Stadtteil Striesen angegriffen. Ein Sprecher der Polizei Sachsen bestätigte, dass es einen Vorfall beim Plakatieren gegeben habe und Ecke betroffen sei. Es soll auch bei anderen Plakatier-Teams Einschüchterungsversuche, Plakatzerstörungen und Beleidigungen gegeben haben. Davon sollen etwa die Grünen betroffen sein. Die Vorsitzenden der SPD Sachsen, Henning Homann und Kathrin Michel sprachen von einer Reihe von Angriffen durch Schlägertrupps auf Plakatierteams demokratischer Parteien.
Parteiübergreifende Verurteilung
«Diese Angriffe seien leider nicht neu», erklärte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU). «Absolut beunruhigend ist aber die Intensität, mit der sich die Attacken aktuell häufen.» Der Staatsschutz der sächsischen Polizei habe die Ermittlungen übernommen. Seit Jahresbeginn seien in Sachsen bisher 112 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit Wahlen registriert worden, teilte das Innenministerium weiter mit – davon 30 gegen Amts- oder Mandatsträger. Bereits in der ersten Woche des Europawahlkampfs seien 51 politisch motivierte Straftaten gegen Wahlplakate erfasst worden.
Die Zahl der Übergriffe gerade auch auf Kommunalpolitiker nimmt seit Jahren zu. Laut einer Antwort der Bundesregierung waren 2023 von Angriffen vor allem Politiker und Politikerinnen der Grünen betroffen, danach folgen die AfD und die SPD. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Wagen von Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) in Brandenburg mehr als eine halbe Stunde von aggressiven Demonstranten blockiert wurde.
«Wir Demokraten lassen uns von den Feinden der Demokratie nicht einschüchtern», schrieb CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auf X. «Wir erwarten, dass die Tat aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden», forderten die SPD-Chefs Saskia Esken und Lars Klingbeil. Grünen-Chefin Ricarda Lang äusserte sich ebenfalls entsetzt und schrieb auf X, dass man sich nicht einschüchtern lassen dürfe. Nach Angaben des Grünen-Kreisverbandes Dresden wurde auch ein Grünen-Anhänger bei der Plakatierung von einem vermummten Schlägertrupp angegriffen und verletzt. «Der Angegriffene wurde noch in den Bauch getreten, als er bereits am Boden lag und hat Prellungen davongetragen», hiess es.
Vorwürfe gegen die AfD
Die AfD wollte sich auf Anfrage nicht äussern, verwies aber darauf, dass auch ihre Politiker und Helfer sehr häufig Opfer von Angriffen seien. Bundesinnenministerin Faeser gab Extremisten und Populisten eine Mitverantwortung, weil sie «mit völlig entgrenzten verbalen Anfeindungen gegen demokratische Politikerinnen und Politiker ein zunehmendes Klima der Gewalt schüren». Es gebe deshalb immer häufigere Attacken auf Politiker und Wahlkampfhelfer.
Die SPD in Sachsen nahm die in Umfragen für die Landtagswahl in dem Freistaat führende rechtspopulistische AfD mit in die Verantwortung: «Die Saat, die AfD und andere Rechtsextreme gesät haben, geht auf. Deren Anhänger sind mittlerweile völlig enthemmt und betrachten uns Demokraten beim Ausüben ihrer Grundrechte offenbar als Freiwild», schrieben die SPD-Vorsitzenden Henning Homann und Kathrin Michel.
(Reuters)