Russland hat bereits viele Tabus gebrochen, seit Staatspräsident Wladimir Putin entschieden hat, die Ukraine anzugreifen. Am Donnerstag lieferte er einen weiteren Coup: Auf Putins Anordnung sollen "unfreundliche Staaten"Erdgas nur noch gegen Rubel geliefert bekommen und nicht, wie bisher, gegen Dollar oder Euro.  

Was bedeutet diese Anordnung?

Wer als feindliches Land betrachtet wird, hatte Russland Anfang Monat deutlich gemacht, als eine Liste von 48 Staaten bekannt gegeben wurde. Es zählen die USA, alle Länder der Europäischen Union und auch die Schweiz dazu. Ein Grossteil der russischen Gasexporte fliesst also an "unfreundliche"Länder. Diese müssten künftig also in Rubel zahlen.

Was bedeutet diese Anordnung? Substanziell zunächst nicht so viel, wie Ökonom Jens Südekum festhält, Mitglied im Beirat des deutschen Wirtschaftsministeriums. 

 

 

UBS-Chefökonom Paul Donovan findet in seinem morgendlichen Audio-Kommentar deutliche Worte: Die Entscheidung Putins sei eine Strategie, die stark an die Taktik von Saddam Hussein erinnere. Der irakische Diktator hatte einst mit seiner Entscheidung, Öl gegen Euro statt gegen Dollar zu verkaufen und damit die Bedeutung des Dollar zu schwächen, Druck auf die USA ausgeübt. 

1 – Erdgas gegen Rubel: Leere Drohung

Donovan sagt gleichzeitig, Putins Entscheidung sei eine leere Drohung. Die Energiemärkte blieben vom US-Dollar dominiert, der Dollar-Preis bliebe massgeblich. Die Abnehmer von Erdgas würden ihr US-Geld dann nicht mehr den Energielieferanten bezahlen, sondern den Devisenhändlern zum aktuellen Tauschkurs.

Einzige Folge sei ein weiterer Transaktionsschritt. Dies würde eventuell das Umgehen von Sanktionen erleichtern, aber auch dies sei unwahrscheinlich. 

2 – Der Zwang zum Handel mit der russischen Zentralbank

Südekum hält hier aber einen entscheiden Punkt fest: Auf den internationalen Devisenmärkten gebe es gar nicht genug Rubel, um entsprechend Dollar einzutauschen. Das würde bedeuten, europäische Gas-Kunden müssten ihre Dollar bei der russischen Zentralbank eintauschen. Südekum: "Sie hat also vorher und nachher die Devisen."

Zudem ist die russische Zentralbank mit Sanktionen belegt. Die Gas-Kunden aus dem Westen stehen also vor der Entscheidung, ob sie ihre eigenen Sanktionen brechen, um weiter die nötige Energie aus Russland zu beziehen. 

3 – Die einzige Alternative: Gas-Embargo

Will die Europäische Union sich hier nicht erpressen lassen, bleibt ihr faktisch nur noch ein Schritt: ein Gas-Embargo. Besonders die deutsche Bundesregierung sträubt sich hier, denn Gas spielt eine wichtige Rolle im Energiemix und mehr als die Hälfte stammt hier aus Russland. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte darum, er befürchte im Falle eines Embargos "eine schwere Wirtschaftskrise in Deutschland und in Europa".

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Ökonom fordert: «Raus aus dem System Putin»

Der deutsche Ökonom Moritz Schularick hält den Schritt ins Embargo aber für zwingend angesichts der jüngsten Schritte Putins. "So werden wir Importeure noch tiefer ins System Putin reingezogen. Raus da!", fordert er gegenüber dem "Handelsblatt".

Ein Lichtblick in der europäischen Zwickmühle bieten die USA: Sie könnten der EU Wasserstoff und Erdgas liefern und damit die Abhängigkeit von russischer Energie mildern. Ein solcher Deal stehe kurz bevor und könnte bereits am Freitag verkündet werden, schreibt Bloomberg. Im Zentrum stehen dabei Flüssiggaslieferungen. Diese sind allerdings auch in Asien begehrt – noch ist unklar, inwiefern der Deal der EU wirklich Erleichterung verschaffen würde. 

Zunächst scheint Putins Plan also aufzugehen. In Folge seiner Ankündigungen legte der Rubel gegenüber dem Dollar am Mittwoch um mehr als 8 Prozent zu und notierte auch am Abend noch gut 4 Prozent fester. Das war der höchste Stand seit drei Wochen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Erdgas gegen Rubel: Drei Punkte über die Folgen von Putins Entscheidung"