Bei der Stichwahl am Sonntag überrundete Erdogan seinen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu, wie die staatliche Wahlkommission mitteilte. Nach der Auszählung fast aller Stimmen lag Erdogan den Angaben zufolge mit 52,14 Prozent deutlich vor Kilicdaroglu, der 47,86 Prozent erreichte. Erdogan erklärte in Istanbul vor jubelnden Anhängern, er sehe das Ergebnis als Auftrag für eine Fortsetzung seiner Präsidentschaft. Sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu erklärte, die Wahl sei die unfairste seit Jahren gewesen.

Die türkische Lira, die angesichts von Erdogans Wirtschafts- und Währungspolitik bereits deutlich an Wert verloren hat, geriet unter Druck. Mit einem Kurs von zeitweise 20,05 Lira je Dollar wurde sie am Sonntagabend nahe dem am Freitag erreichten Rekordtief von 20,06 Lira je Dollar gehandelt. Die Lira hat seit Jahresbeginn mehr als sechs Prozent verloren.

Zu den ersten Gratulanten zählte der russische Präsident Wladimir Putin. Er nannte Erdogan einen "lieben Freund" und bezeichnete das Wahlergebnis als Bestätigung einer "unabhängigen Außenpolitik" des türkischen Präsidenten. Das Nato-Mitglied Türkei pflegt auch nach dem russischen Angriff auf die Ukraine enge Beziehungen sowohl zu Russland als auch zur Ukraine und zur EU.

Erdogan ist seit 2014 im Amt des Präsidenten, das unter seiner Führung deutlich gestärkt wurde. Der 69-jährige ist zugleich Chef der konservativen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP). Der Wahlausgang gibt ihm Rückendeckung für eine Politik, die als zunehmend autoritär beschrieben wird und sowohl in der Türkei als auch international polarisiert. In der Wählerschaft hat Erdogan traditionell bei gläubigen Muslimen besonderen Rückhalt.

Erdogan stärkte das Nato-Land als regionale Militärmacht. In der Flüchtlingspolitik spielt die Türkei eine Schlüsselrolle. Das Land mit 85 Millionen Einwohnern beherbergt nach Angaben des Innenministeriums rund fünf Millionen Migranten. Darunter sind rund 3,3 Millionen Menschen, die infolge des Kriegs im Nachbarland Syrien in die Türkei geflüchtet sind.

Wirtschaftlich steht das Land in einer Krise, die durch hohe Inflation, schwindende Kaufkraft und sinkende Lebensstandards geprägt ist. Nicht in den Griff bekam die Regierung die Inflation, die im vergangenen Jahr zeitweise bei mehr als 85 Prozent lag. Als ein Grund dafür gilt, dass die Zentralbank den Leitzins nicht gemäß der ökonomischen Lehre angehoben, sondern auf Erdogans Wunsch gesenkt hat. Zudem hatte ein Erdbeben im Februar eine ganze Region verwüstet. Zehntausende Menschen starben.

Bereits der erste Wahlgang am 14. Mai hatte gezeigt, dass die Unterstützung für den in der türkischen Politik stark ausgeprägten Nationalismus zugenommen hat. Hintergrund sind auch jahrelange Auseinandersetzungen mit militanten Kurden und der Putschversuch im Jahr 2016, sondern auch die Einreise von über drei Millionen Flüchtlingen aus dem Bürgerkriegsland Syrien vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Probleme der Türkei. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung der Türkei gehört der kurdischen Minderheit an. Die pro-kurdische Demokratische Volkspartei hatte sich gegen Erdogan gestellt.

Mehr als 64 Millionen Türkinnen und Türken waren zur Wahl aufgerufen. Erdogan hatte bereits in der ersten Wahlrunde besser abgeschnitten als erwartet. Allerdings hatte er mit 49,5 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit verfehlt, so dass die Stichwahl angesetzt wurde. Kilicdaroglu, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei CHP, war in der ersten Runde auf 44,9 Prozent gekommen. Der 74-jährige trat an der Spitze eines Sechs-Parteien-Bündnisses an. Erdogans AKP und ihre Verbündeten hatten am 14. Mai auch die gleichzeitig abgehaltene Parlamentswahl für sich entschieden.

(Reuters)