Der Name war für Kenner der Finanzwelt in Japan eine Überraschung: Der Wirtschaftsprofessor Kazuo Ueda soll künftig die japanische Notenbank leiten und damit eine Schlüsselposition in der Wirtschaft des asiatischen Landes einnehmen, das nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik vor einer wichtigen Weichenstellung steht. Der 71-jährige Veteran der Geldpolitik soll im April Haruhiko Kuroda an der Spitze der Bank von Japan (BoJ) ablösen. Ueda gilt als absoluter Experte und erfahrener Pragmatiker, der als ehemaliges Direktoriumsmitglied der BoJ weiss, wie sich geldpolitische Ideen in die Tat umsetzen lassen.
Anders als Kuroda, der vor zehn Jahren mit dem klaren Auftrag antrat, die Deflation in Japan mit massiven Finanzspritzen zu bekämpfen, steht Ueda vor der heiklen Aufgabe, sich von der radikalen und komplexen Politik des billigen Geldes seines Vorgängers zu verabschieden, ohne den immer noch fragilen Wirtschaftsaufschwung zu gefährden. Seine akademische Ausbildung in den USA an einer der wichtigsten geldpolitischen Denkschmieden spricht dafür, dass er diesere Aufgabe gewachsen sein dürfte. Ueda studierte am MIT in Cambridge bei dem renomierten Wirtschaftswissenschaftler und späteren Fed-Vizechef Stanley Fischer, zu dessen Studenten seinerseit der spätere Chef der US-Notenbank, Ben Bernanke, und der spätere Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, gehörten.
Ueda ist in der Notenbankwelt kein Unbekannter. Von 1998 bis 2005 sass er bereits im neunköpfigen Direktorium der BoJ. Unter anderem war er an der Einführung der "Forward Guidance" beteiligt, der Zinsorientierung, mit denen Währungshüter versuchen, das Anlage- und Investitionsverhalten an den Börsen und in der Wirtschaft zu lenken. Menschen, die ihn kennen, beschreiben Ueda als Pragmatiker, der seine Ansichten zur Geldpolitik flexibel anpassen kann. Das macht es schwer, ihn in eines der beiden klassischen Lager einzuordnen: in das der eher für eine lockere Geldpolitik eintretenden Tauben oder in das Lager der eher einer strafferen Ausrichtung zugeneigten Falken.
"Sein Stil ist es, die Geldpolitik auf der Grundlage von Fakten und Beweisen zu erörtern", sagte Tetsuya Inoue, ein ehemaliger Mitarbeiter von Ueda aus seiner Zeit bei der BOJ. Ueda wisse, dass die Wirtschafts- und Preisentwicklung sehr komplex sei. Er nutze Wirtschaftstheorien als Instrumente, um die Geldpolitik flexibel zu gestalten. Ueda, von dem privat bekannt ist, dass er Fan des Baseball-Teams Tokyo Yakult Swallows ist, wird von seinen Mitarbeitern als zugänglich und aufgeschlossen beschrieben - aber auch als ein scharfsinniger Theoretiker, der empirische Analysen und Daten schätzt. Zahlreiche Studenten, die er an der renommierten Universität von Tokio unterrichtet hat, arbeiten jetzt bei der BoJ.
Hauptsitz der Bank von Japan in Tokio.
Langsamer Übergang oder klare Wende
In einer Kolumne im Juli 2022 hatte Ueda vor einer verfrühten Anhebung der Zinsen gewarnt. Das werteten viele als Zeichen dafür, dass er nicht für eine schnelle Straffung der Geldpolitik eintreten wird. Allerdings hat Ueda auch auf die Schwierigkeiten der aktuellen BoJ-Strategie der Zinskurvensteuerung hingewiesen, wenn die Inflation anzieht, sowie auf potenzielle Schwachstellen dieser Ausrichtung. Das legt eher nahe, dass die Tage dieser Strategie mit Ueda gezählt sein könnten.
Jesper Koll, ein Direktor der Monex Group in Tokio, der als erfahrener Japan-Beobachter Ueda gut kennt, geht davon aus, dass der neue BoJ-Chef zwar vorsichtig vorgehen, dabei aber nicht vor Veränderungen zurückschrecken wird. "Ich kann Ihnen garantieren, dass er nicht an schnellen Erfolgen interessiert ist - und er steht auch nicht unter Druck, solche zu erzielen", sagte Koll. "Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung. So ist Ueda. Er ist ein Mann der Wissenschaft. Er ist kein Mann der Dogmen."
Nach Einschätzung von Bastian Hepperle, Volkswirt bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, wird es nicht zu einem radikalen Umbruch kommen. "Auch wenn angesichts einer Inflationsrate von derzeit knapp 4,0 Prozent und hoher Staatsanleihekäufe die Forderung nach einer Reform der ultra-lockeren Geldpiolitik im Raum steht, bezweifeln wir, dass Ueda sich als grosser Reformer erweisen wird", meint Hepperle. Ueda werde bewusst sein, dass ein merklicher Zinsanstieg die Finanzierung des hoch verschuldeten Staatshaushalts von mehr als 260 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2021 und die weiterhin schwache Binnennachfrage zu stark gefährde. Hepperle rechnet daher eher mit kleinen Anpassungen.
Aber es gibt auch andere Stimmen. Anlagestratege Frédéric Leroux vom französischen Vermögensverwalter Carmignac erwartet einschneidende Änderungen. "Auch in Japan macht sich die Inflation bemerkbar", merkte er an. Die Tage der Renditekurvensteuerung seien gezählt. "Eine rasche Normalisierung der Geldpolitik steht bevor und es ist keineswegs sicher, dass der daraus resultierende Anstieg der Zinssätze und des Yen der japanischen Wirtschaft und der Bewertung der japanischen Risikoanlagen schaden wird", glaubt Leroux. Wenn das Parlament zustimmt, wird Ueda am 9. April das Ruder bei der BOJ übernehmen. Die erste geldpolitische Sitzung unter seiner Führung findet dann am 27. und 28. April statt.
(Reuters)