Die Aktien der Credit Suisse erholen sich am Donnerstag teilweise vom Kurssturz vom Vortag, nachdem die Grossbank einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden Franken von der Schweizerischen Nationalbank zugesprochen und den Rückkauf von Anleihen angeboten hatte, um eine weitergehende Krise zu vermeiden. CEO Ulrich Koerner sagte zudem, die Finanzlage des Kreditinstituts sei solide. 

Die Probleme bei der Credit Suisse könnten aber das Vertrauen der Anleger und Investoren auf lange Sicht schwer erschüttern, so die Marktteilnehmer, die sich zunehmend Sorgen um die Gesundheit des globalen Finanzsystems machen. Hier eine Auswahl von Kommentaren:

  • Für Kerry Goh, Anlagechef beim singapurischen Vermögensverwalter Kamet Capital Partners, ist das grosse Thema das Vertrauen der Investoren und Kunden. Er fragt sich in einem Marktkommentar, wer die Einlagen bei der Credit Suisse garantieren soll. Denn Kunden könnten trotz der Ankündigungen von heute Morgen immer noch ihr Geld abziehen. "Ich frage mich, warum die politischen Entscheidungsträger Kreditgebern in Schwierigkeiten so schnell helfen. Das hat etwas von Moral Hazard, und das ist auf lange Sicht negativ", fügt Goh an.
  • "Die Credit Suisse wird ihre finanzielle Notlage wahrscheinlich überwinden, aber der Schlag gegen das Vertrauen der Anleger könnte noch jahrelang nachhallen", sagt Clifford Bennett, Chefökonom vom australischen Broker ACY Securities. Er beobachtet zudem ein deutliches Schwinden des Anlegervertrauens sowohl im Technologie- als auch im Bankensektor. Die Credit Suisse werde überleben, aber die Narben würden bestehen bleiben.
  • Die weltweite Ansteckung von Bankaktien im Gefolge der Probleme bei Credit Suisse und des plötzlichen Zusammenbruchs von Silicon Valley belastet auch die Aktien vieler sehr gut geführter Banken, was Anlegern laut Kim Fournais, CEO und Gründer des dänischen Online-Brokers Saxo Bank, eine Chance bietet. "Ich glaube nicht, dass es ein Lehman-Brothers-Moment ist", und die politischen Entscheidungsträger haben mit ihrer Arbeit begonnen, fügte er hinzu.
  • Für Guha Krishna, Vizepräsident des Analysehauses Evercore, stehen die Zentralbanken vor einem verschärften Zielkonflikt zwischen Finanzstabilität und Inflationskontrolle. Die Credit Suisse sei der Grössenordnung nach systemrelevanter als die SVB - jedenfalls nach den Interventionen in den USA am Sonntag. Ihre Schwierigkeiten erforderten jetzt grössere Vorsicht und könnten weitaus grössere und nachhaltigere Auswirkungen auf Zinssätze und Risiken haben.
  • Der Absturz der Credit Suisse-Aktie "löste eine Vertrauenskrise aus, die weltweit nachhallte", sagt Mark Chadwick, Analyst beim Forschungsunternehmen Smartkarma mit Sitz in Singapur. "Das Vertrauen ist ein entscheidender Faktor im Finanzsystem, und diese jüngste Entwicklung zeigt, wie leicht es erschüttert werden kann."
  • "Es gibt schon seit einiger Zeit Sorgen um die Überlebensfähigkeit der Credit Suisse. Die Deutsche Bank war vor einigen Jahren mit solchen Sorgen konfrontiert und hat sich aus ihnen herausgemanagt", sagt Michael Makdad, Analyst beim US-Analyseunternehmen Morningstar.
  • Für Anthony Doyle, Leiter Anlagestrategie beim australischen Vermögensverwalter Firetrail Investments, unterscheiden sich die Turbulenzen bei der Credit Suisse deutlich von den Zusammenbrüchen der SVB und der Signature Bank. Im Gegensatz zur SVB sei die Credit Suisse eine systemrelevante Bank und unterliege strengen Kapital- und Liquiditätsanforderungen. "Die Spannungen, die wir heute erleben, sind das Ergebnis des raschen Anstiegs der Zinssätze, den wir weltweit erlebt haben, insbesondere der Abkehr von unkonventionellen geldpolitischen Massnahmen wie der quantitativen Lockerung und den Negativzinsen", fügt Doyle an.
  • Dass die Credit Suisse von der Schweizerischen Nationalbank eine Liquiditätshilfe in Höhe von 50 Milliarden Franken benötigt, sei ein beunruhigendes Zeichen, schreibt ING-Analystin Suvi Platerink Kosonen in einer Research Note. "Es ist zwar beruhigend, dass die Bank Zugang zu Liquidität hat, die sie möglicherweise benötigt, aber es ist auch ziemlich beunruhigend, dass sie diese benötigt", so Kosonen. 
  • Für Stephen Dover, Leiter des Franklin Templeton Institute, hat die Nervosität auf dem Markt dazu geführt, dass die Credit Suisse und ihre Fähigkeiten, die kommenden Herausforderungen zu meistern, angezweifelt werden. "Die Credit Suisse ist eine Grossbank, die seit einigen Jahren ein schlechtes Risikomanagement hat und dabei ist, sich nun verkleinert. Das neue Management der Bank erst am Anfang eines dreijährigen Turnarounds, der eine radikale Umstrukturierung, einschliesslich der Veräusserung des Investmentbanking-Geschäfts, vorsieht. Auch wenn es keinen grundlegenden Anlass zur Besorgnis gibt, wird dies für die Credit Suisse eine schwierige Zeit werden", so Dover.

Mit Material der Nachrichtenagenturen Bloomberg und AWP.

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