Die Umweltminister der EU-Staaten einigten sich in der Nacht zum Mittwoch auf ein umfassendes Klimaschutz-Paket, das unter anderem dann nur noch Neuwagen mit klimaneutralen Motoren zulässt. Es könnte aber der Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoffen weiterbetrieben werden, da diese praktisch klimaneutral sind. Die Minister fassten auf Basis des "Fit-for-55"-Pakets der EU-Kommission weitere Beschlüsse, mit der die EU ihre Klima-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent senken will: So soll es ab 2027 eine Abgabe auf CO2 - ähnlich wie in Deutschland - auch für Sprit und Heizöl geben. Ärmere EU-Bürger sollen dann durch einen Klimasozialfonds von 59 Milliarden bis 2032 entlastet werden. Zudem werden Gratis-Zuteilungen von CO2-Verschmutzungsrechten an die Industrie gekürzt und der CO2-Preis ausgeweitet.

Die Beschlüsse insgesamt müssen noch von Kommission und EU-Parlament gebilligt werden. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass es kaum wesentlichen Änderungen geben wird, da die Beschlüsse auf Vorschlägen der Kommission fussen und Beratungen im EU-Parlament teils berücksichtigt wurden. Die endgültige Einigung wird bis Ende des Jahres erwartet.

In Deutschland heftig umstritten

Die Zukunft des Verbrennungsmotors war besonders in Deutschland mit seiner grossen Autoindustrie heftig umstritten. Nach Auffassung der Grünen war im Koalitionsvertrag geregelt, dass synthetische Kraftstoffe in Pkw und Lieferwagen auch nach 2035 nicht zum Einsatz kommen dürfen. Die FDP interpretierte dies anders und pochte auf Technologie-Offenheit und setzte sich damit durch. Die EU-Kommission soll nun einen Vorschlag machen, wie E-Fuels auch in Pkw eingesetzt werden. Inwieweit dies eine Auswirkung bei den Plänen der Autoindustrie hat, ist allerdings unklar. Die meisten Hersteller setzen auf Elektro-Mobilität, synthetische Kraftstoffe sind derzeit noch teuer und knapp.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lobte das Gesamtpaket dennoch als Signal der Entschlossenheit: "Inmitten der grössten Energiekrise Europas haben wir eines der umfassendsten Klimaschutzpakete in der EU-Geschichte auf den Weg gebracht" Mit dem "Fit-for-55"-Paket seien die Weichen für den Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität gestellt.

Planungssicherheit für Autoindustrie

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die lange für ein komplettes Verbrenner-Aus bis 2035 geworben hatte, zeigte sich ebenfalls zufrieden und sprach von einem grossen Fortschritt: "Wir setzen damit das klare Signal, dass wir die Klimaziele erreichen müssen. Sie geben der Autoindustrie die Planungssicherheit, die sie braucht."

Umweltverbände zeigten sich hingegen enttäuscht: Der WWF-Deutschland warf Deutschland eine Bremser-Rolle vor. Dies gelte etwa für die Debatte um den Verbrennungsmotor, zudem hätten die Rechte der Industrie zum CO2-Ausstoss deutlicher gekürzt werden müssen, sagte Klimaexpertin Viviane Raddatz.

Die Organisation "Transport and Environment" forderte das EU-Parlament auf, den Einsatz von E-Fuels in Verbrennungsmotoren noch zu verhindern. Das Parlament habe sich im Vorfeld dagegen ausgesprochen, sagte Deutschland-Direktor Stef Cornelis. Die Zukunft des Autos sei zwar ohnehin elektrisch. "Die Ausnahme ist aber eine Schwächung der Verordnung und ein gefährlicher Präzedenzfall, den das Europäische Parlament blockieren sollte."

Co2-Preis auch in Verkehr und Gebäuden

Nach den Beschlüssen der Minister soll parallel ein CO2-Preis auf Sprit, Heizöl oder Gas in Verkehr und Gebäuden im Rahmen eines Handels mit CO2-Rechten eingeführt werden. Diese Zertifikate werden demnach ab 2027 Zug um Zug eingeführt. Deutschland ist hier mit einm festen Aufschlag bereits seit 2021 vorangegangen. Ärmere Haushalte sollen im Gegenzug mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Rechte unterstützt werden. Von 2027 bis 2032 wird so ein Klimasozialfonds in Höhe von 59 Milliarden Euro eingerichtet.

Die Industrie muss sich auf weitere Kürzungen bei der Zuteilung von Gratis-Emissionsrechten einstellen. Zum Schutz vor unfairem Wettbewerb aus Regionen mit laxeren Umweltstandards soll eine CO2-Grenzsteuer ab 2023 mit einer dreijährigen Übergangszeit auf den Weg gebracht werden. Diese ist allerdings umstritten und auch in der Bundesregierung unbeliebt. Kanzler Olaf Scholz will daher über die Kontinente hinweg einen sogenannten Klimaclub mit vergleichbaren Standards gründen, der die Steuer überflüssig machen könnte.

(Reuters)