US-Präsident Donald Trump hat im Zollstreit mit der EU am Samstag die nächste Eskalationsstufe gezündet. Er droht mit Zöllen von 30 Prozent auf EU-Importe, wenn es bis zum 1. August keine Einigung über den bilateralen Handel gibt. Deshalb stellt sich die Frage, ob dies der erste Schritt zu einem Handelskrieg zwischen den beiden grössten Volkswirtschafts-Räumen der Welt ist - oder aber die letzte ausgespielte Karte im Pokerspiel vor einer Einigung. Dazu gibt es überraschende Einschätzungen.
Was will Trump eigentlich?
Auf den ersten Blick sieht die Verhandlungstaktik von US-Präsident Donald Trump chaotisch aus. Tritt man einen Schritt zurück, wird allerdings das grosse Ziel erkennbar. Der US-Präsident will einen Systemwechsel in der Finanzierung des US-Haushalts: Statt vor allem durch Steuer soll dieser sich viel stärker aus Zolleinnahmen finanzieren. Das innenpolitische Ziel: Trump bekommt gerade angesichts der ohnehin horrenden Verschuldung der USA mehr Spielraum für seine versprochenen Steuersenkungen. Zölle entwickeln sich bereits zu einer bedeutenden Einnahmequelle des US-Staatshaushalts. Nach Daten des US-Finanzministeriums vervierfachten sich die Zolleinnahmen im Juni auf einen Rekordwert von rund 27 Milliarden Dollar brutto. Damit überschritten die Einnahmen aus Zöllen in einem Haushaltsjahr erstmals die Marke von 100 Milliarden Dollar. Trump träumt davon, diese Summe noch stark anzuheben.
Deshalb gibt es nach Angaben aus europäischen Verhandlungskreisen wenig Illusionen, dass Trump klein beigeben könnte. «Er braucht Geld, ganz einfach», sagte ein Regierungsvertreter in Berlin. Ziel der EU ist es deshalb, die Höhe der neuen Zölle auf EU-Waren zumindest zu begrenzen - etwa auf einen Korridor zwischen zehn und 15 Prozent.
Wer zahlt die Zölle?
In Regierungs- und Wirtschaftskreisen ist davon die Rede, dass die Autoindustrie derzeit etwa durch die bereits angehobenen Zölle auf Stahl, Autoersatzteile täglich zwischen zehn und zwölf Millionen Euro bezahlt. «Die Kosten für unsere Unternehmen sind bereits im Milliardenbereich - und mit jedem Tag wächst die Summe», hatte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, am Samstag beklagt. Denn im Konkurrenzkampf auf dem US-Markt und angesichts der Unsicherheit, worauf man sich am Ende einigt, werden die Zölle von den Firmen oft noch nicht an die Endkunden weitergegeben.
Trump verkauft den US-Bürgern seine Zollstreit-Politik unter anderem mit dem Argument, dass Ausländer die Zeche zahlen sollten, die lange von den USA profitiert hätten. Aber am Ende werden Importprodukte in den USA für US-Bürger teurer, was etwa die EU Trump bisher vergeblich klarzumachen versucht. Er begründet das Vorgehen damit, dass höhere Zölle für Importe auch die US-Industrie schützen und wieder wettbewerbsfähig machen könnten. Daran zweifeln Ökonomen, weil viele Produkte in einer globalen Arbeitsteilung in anderen Teilen der Welt besser und vor allem billiger hergestellt werden können. Eine geschützte US-Industrie würde ebenfalls im Vergleich zu Importen teurere Produkte für US-Verbraucher liefern.
Sollte die EU mit Gegenmassnahmen reagieren?
Die EU-Kommission hat bereits zwei Gegenmassnahmen-Pakete für Zölle auf US-Importe vorbereitet, die einen Umfang von 21 beziehungsweise 73 Milliarden Euro haben sollen. Diese höheren EU-Zölle oder -Abgaben auf US-Produkte gelten als wichtiges Element im Verhandlungspoker - damit Trump sieht, welcher direkte Schaden auch für US-Unternehmen entstehen könnte. Schwächere Länder wie Kanada haben gerade ihre Digitalsteuer gestrichen, um die US-Regierung gnädig zu stimmen. Aber sollte die EU am Ende etwa eine Digitalsteuer für US-Tech-Konzerne einführen, die bisher nur sehr niedrige Steuern in Europa zahlen, könnte dies ausgerechnet Trumps Verbündete im Silicon Valley treffen.
Wann sollte die EU mit Gegenmassnahmen reagieren?
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Sonntag an, dass sie zunächst darauf verzichten wird, das eigentlich für Montag vorgesehene erste Paket in Höhe von 21 Milliarden Euro scharf zu stellen. Denn es gebe immer noch Hoffnung auf eine Einigung, sagte sie zur Begründung.
In der EU ist dies aber umstritten. Der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange (SPD), plädiert etwa dafür, dass die EU Stärke zeigen sollte und bereits am Montag auf Trumps Drohungen mit Gegen-Zöllen antwortet. Trump verstehe nur diese Sprache.
Unter den 27 EU-Staaten ist dies aus zwei Gründen umstritten: Erstens erwarteten viele der EU-Hauptakteure nach den Telefonaten am Samstag, dass man sich am Ende auf einen Korridor von zehn bis 15 Prozent Zölle einigen werde, hiess es aus Verhandlungskreisen. Trotz der öffentlichen Besorgnis gebe es also hinter den Kulissen Optimismus. «Man ist in den Gesprächen eigentlich weit fortgeschritten», sagt ein EU-Diplomat.
Zweitens gibt es zwischen den EU-Staaten unterschiedliche Interessen: Das exportstarke Deutschland fürchtet grosse Schäden durch eine Eskalation und plädiert deshalb für eine schnelle Einigung, die nicht durch Gegenmassnahmen erschwert werden sollte. Frankreich ist dagegen für eine eher härtere Linie.
Was passiert nach dem 1. August??
Das weiss niemand. Denn zumindest bei den Daten ist Trump unberechenbar. Eigentlich lief die Frist für eine Einigung der USA mit der EU schon am 9. Juli aus. Aber dann verlängerte der US-Präsident die Frist - was er erneut tun könnte. Spätestens wenn die USA wirklich 30-prozentige Zölle verhängen sollten, wird die EU-Kommission nicht darum herumkommen, harte Gegenmassnahmen gegen die USA zu verhängen. Dies dürfte die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks treffen. Komme es dagegen zu einer Einigung auf Importzölle zwischen zehn und 15 Prozent für EU-Einfuhren, könne man damit eher leben, heisst es.
(Reuters)