Nach früheren Angaben aus EU-Kreisen wird geprüft, wie europäische Unternehmen unter Verweis auf Force Majeure, also höhere Gewalt, straffrei aus ihren Abnahmeverträgen herauskommen könnten. Denkbar sei auch, den Abnehmern zu verbieten, neue Gasverträge mit Russland zu schliessen. Bisher gibt es aber keine EU-Sanktionseinigung, und Experten zufolge dürfte es für die Kunden schwer werden, sich bei Kündigungen auf Force Majeure zu berufen.
Rund 19 Prozent des Gasbedarfs in der EU werden weiterhin durch Gas aus Russland gedeckt. Die Lieferungen kommen über die Pipeline Turkstream oder als Flüssiggas (LNG) per Schiff in die EU. Zwar hat die EU das Ziel formuliert, bis 2027 Brennstofflieferungen aus Russland zu beenden. Bindend ist dies jedoch nicht. Die Pläne der EU finden vor dem Hintergrund der Bemühungen der USA statt, Russland zu einem Friedensvertrag mit der Ukraine zu drängen. Sollte es zu einem solchen Deal kommen, könnte dies russischen Energieexporten wieder die Tore öffnen.
Rechtsexperten und Analysten haben Zweifel, dass der Verweis auf Force Majeure reichen könnte. Schliesslich seien Jahre vergangen, seitdem die EU wegen des Einmarschs Russlands in der Ukraine 2022 den Verzicht auf russische Gas-Lieferungen als Ziel formulierte. Der effektivste Weg sei, russische Gasimporte mit Sanktionen zu belegen. Voraussetzung dafür sei aber eine Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedsstaaten. Die Slowakei und Ungarn haben jedoch weiterhin enge politische und wirtschaftliche Beziehungen mit Russland. Und Ungarn hat bereits deutlich gemacht, Sanktionen im Energie-Bereich zu blockieren.
Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges haben zahlreiche Firmen gegen Russland wegen strittiger Gaslieferungen geklagt oder sind von russischer Seite verklagt worden, darunter der grösste deutsche Gaskonzern Uniper. Der russische Gaskonzern Gazprom hat in seinen Verträgen die so genannte «Take-or-Pay»-Regel festgeschrieben. Danach müssen die Kunden bei Nicht-Abnahme bis zu 95 Prozent der vereinbarten Mengen bezahlen. Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters geht es bei den laufenden Verfahren insgesamt um Summen in Höhe von 18,5 Milliarden Euro.
(Reuters)