Die EU-Kommission gab am Freitag wie erwartet unter Auflagen grünes Licht für die bis zu 6,2 Milliarden Euro schwere Übernahme. Der TGV-Hersteller Alstom rückt als Nummer zwei auf dem Weltmarkt näher an den chinesischen Branchenriesen CRRC heran, dessen Vormarsch die europäischen Hersteller fürchten. Anders als der Münchner Siemens-Konzern, der im vergangenen Jahr mit der Übernahme von Alstom scheiterte, konnten die Franzosen und die Kanadier die Bedenken von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auf Anhieb ausräumen.
Vestager erwartet stärkere Marktstellung
"Das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen wird künftig eine stärkere Marktstellung haben", erklärte Vestager. "Gleichzeitig wird es dank dieser Abhilfemassnahmen auf seinen Kernmärkten auch weiterhin Wettbewerb ausgesetzt sein, was den europäischen Kunden und Verbrauchern zugutekommt." Die EU hatte sich vor allem an der starken Stellung bei Hochgeschwindigkeits- und Fernverkehrszügen gestossen, wo Alstom und Bombardier den Markt vor allem in Frankreich und Deutschland dominiert hätten.
Als Auflage muss sich Bombardier von der Produktion von "Talent 3"-Regionalzügen in Hennigsdorf bei Berlin mit rund 200 Mitarbeitern trennen. Alstom will sein Werk im elsässischen Reichshoffen nahe der deutschen Grenze mit 800 Mitarbeitern und der "Coradia Polyvalent"-Regionalzug-Plattform verkaufen, die vor allem in Frankreich verkauft werden. Alstom-Vorstandschef Henri Poupart-Lafarge sagte am Freitag, dafür gebe es bereits mehrere Interessenten. In Italien ist Bombardier bereit, aus dem Gemeinschaftsunternehmen mit Hitachi für die "Zefiro"-Hochgeschwindigkeitszüge auszusteigen. In der Signaltechnik und Zugsteuerung von Fernverkehrszügen bekommt die Konkurrenz Zugang zu Schnittstellen. Darauf hatte vor allem Siemens gepocht.
Der Münchner Industriekonzern reagierte schmallippig: "Siemens nimmt die Entscheidung der Europäischen Kommission zur Kenntnis und prüft deren Inhalte." Das weitere Vorgehen liess ein Sprecher offen.
Zugsparte löst sich von angeschlagenem kanadischen Konzern
Für die in Berlin ansässige Bombardier Transportation und die 7500 Bombardier-Mitarbeiter in Deutschland bedeutet der Verkauf an Alstom wohl bessere Perspektiven - auch wenn der Abbau von rund 1000 Beschäftigten noch läuft. Denn der Mutterkonzern in Kanada, der sich vor allem mit Flugzeugprojekten übernommen hat, ist in finanziellen Schwierigkeiten.
Um sich in der Krise über Wasser zu halten, hat er einen hochverzinsten Kredit über eine Milliarde Dollar bei einem Kreditfonds aufgenommen. In Deutschland hat Bombardier Branchenkreisen zufolge staatliche Bürgschaften über 750 Millionen Euro beantragt, um bei seinen Lieferanten wieder kreditwürdig zu sein.
Die genauen Bedingungen der Übernahme durch Alstom müssen nun noch ausgehandelt werden. Jürgen Kerner, der im Vorstand der Gewerkschaft IG Metall für die Bahnindustrie zuständig ist, pocht auf Sicherheiten: "Für uns geht es jetzt erst richtig los. Arbeitsplätze und Standorte müssen gesichert, Mitbestimmung und Tarifstandards gewahrt bleiben werden." Alstom-Bombardier müsse ein Zukunftskonzept vorlegen.
(Reuters)