Die Währungshüter um Notenbankpräsidentin Christine Lagarde setzten den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte nach unten auf 4,25 Prozent, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Den am Finanzmarkt massgeblichen Einlagensatz, den Banken für das Parken von Geld bei der Zentralbank erhalten, senkte sie auf 3,75 Prozent von bisher 4,00 Prozent. Letztmalig hatte die Notenbank im September 2019 die Zinsen gesenkt. Zum weiteren Zinspfad hielt sich die EZB weitgehend bedeckt. «Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest», erklärte die EZB.

«Mit dieser Zinssenkung setzt die EZB die Alarmstufe bei der Inflation um einen Schritt herunter», kommentierte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank den Schritt der Euro-Wächter. «Angesichts der deutlichen Beruhigung des Inflationsgeschehens ist das gerechtfertigt.» Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW in Mannheim merkte an, dass die erste Zinssenkung durch die EZB-Kommunikation exzellent vorbereitet und geldpolitisch gut begründbar gewesen sei. «Negativ überrascht hat zuletzt allerdings die Hartnäckigkeit der Inflation», warnte er jedoch. «Der EZB-Rat sollte sich jetzt mit vorschnellen Ankündigungen weiterer rascher Zinssenkungen zurückhalten.»

Die EZB sei entschlossen dafür zu sorgen, dass die Inflation zeitnah zum mittelfristigen Ziel von zwei Prozent zurückkehre, erklärten die Währungshüter. Die Notenbank strebt eine Teuerungsrate von 2,0 Prozent als optimales Niveau für die 20-Länder-Gemeinschaft an. Die Zinsen würden so lange wie nötig auf einem die Wirtschaft ausreichend bremsenden Niveau gehalten, um dieses Ziel zu erreichen, stellten die Euro-Wächter in Aussicht.

Wie hoch das sei, und wie lange die Sätze auf dem entsprechenden Niveau bleiben müssten, werde von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung entschieden. Mit der Zinssenkung folgt die EZB den Notenbanken in Kanada, der Schweiz und in Schweden. Die einflussreiche US-Notenbank Federal Reserve hält bislang noch die Füsse still, weil sich die Inflation in den Vereinigten Staaten zuletzt als weiterhin sehr stark erwiesen hat.

Auch in der Euro-Zone ist die Inflation noch nicht besiegt. Der binnenwirtschaftliche Preisdruck sei nach wie vor hoch, auch wenn er in den letzten Quartalen etwas nachgelassen habe, erklärte die EZB. Die Inflation werde voraussichtlich bis weit ins nächste Jahr über dem Zielwert bleiben. Mit einer Teuerung von zuletzt 2,6 Prozent im Mai liegen Raten von mehr als zehn Prozent wie im Herbst 2022 aber inzwischen weit entfernt.

Dazu trugen die zehn Zinserhöhungen der Euro-Wächter seit dem Sommer 2022 massgeblich bei. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte zuletzt deutlich signalisiert, dass die Notenbank ihre straffe Zinspolitik etwas abschwächen könnte. Zugleich hatte er aber auch klargemacht, dass mit einer Zinssenkung der Kampf gegen die Inflation noch nicht beendet ist.

In der jüngsten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters hatten alle 82 befragten Volkswirte mit einer Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte gerechnet. Allerdings erwarteten sie auch eine vorsichtige Gangart der Euro-Wächter in den kommenden Monaten. Dafür dürfte auch sprechen, dass das Lohnwachstum im ersten Quartal überraschend kräftig ausgefallen war und bei den Dienstleistungen die Teuerung weiterhin hoch ist. Am Finanzmarkt war zuletzt mit maximal zwei weiteren Zinssenkungen in diesem Jahr gerechnet worden. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 18. Juli.

(Reuters)