Das «grösste urbane Entwicklungsprojekt Europas», der «grösste Küstenpark Europas», «visionäre 15-Minuten-Stadt»,«ein Projekt mit weltweiter Ausstrahlung». Es wird  mit Superlativen nicht gespart, wenn in Athen die Rede ist von «The Ellinikon».

Vielleicht stimmen diese Bezeichnungen sogar, zumindest was die territorialen Ausmasse betrifft. Auf einer Fläche von 6,2 Millionen Quadratmetern - das entspricht rund 900 Fussballfeldern - entsteht an der Riviera Athens und rund zehn Kilometer südöstlich der Akropolis eine futuristische Mega-Stadt. 10’000 neue Wohnungen für dereinst 25’000 Einwohner, drei Luxushotels, Schulen, ein Sportkomplex, eine Klinik, Shopping Mall, Forschungseinrichtungen. 80’000 neue Jobs entstehen, 8000 sind es schon.

Kernstück des Projektes auf einem ehemaligen Flughafengelände ist ein Park mit über zwei Millionen Quadratmetern. Die Verantwortlichen ziehen hier gerne den Vergleich zum Londoner Hyde Park, der um ein Viertel kleiner ist. Durch diesen «Smart Park» soll ein Netz von rund 50 Kilometern an Velo- und Fussgängerwegen entstehen und den Anspruch einer 15-Minuten-Stadt wahr werden lassen: Zu Fuss oder mit «grünen» Verkehrsmitteln in der Überbauung alles erreichbar in einer Viertelstunde. Energie- und Bewässerungssysteme - alles auf dem modernsten Stand. «Ellinikon symbolisiert das neue Griechenland, wie wir uns es vorstellen», sagte Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis beim Spatenstich.

Park und Wohnanlage in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Park und Wohnanlage in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Quelle: ZVG

Weitum sichtbar ist der Wolkenkratzer, der erste überhaupt Griechenlands, wenn er mit 53 Stockwerken fertig gebaut ist. Entworfen hat den Wohnturm das Londoner Architekturbüro Foster + Partners, das auch für den Masterplan für das Projekt verantwortlich ist.

«38 Stockwerke sind nun gebaut», sagt ein Ingenieur, der den Besucher durch das Gelände fährt. Der Ingenieur blickt zur Turmspitze hoch, 207 Meter Höhe soll sie erreichen. Die 169 Wohnungen gingen weg, bevor der erste Stock in Angriff genommen wurde. Bis 32’000 Euro pro Quadratmeter wurden für die Wohnungen bezahlt. Das Penthouse ganz oben ging für 29 Millionen Euro weg. Der Käufer ist nicht bekannt.

Im Bau: Riviera Tower in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen.

Im Bau: Riviera Tower in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen.

Quelle: ZVG
Riviera Tower  in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung:  Lamda Development).

Riviera Tower in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Quelle: ZVG

Weiter geht die Fahrt über das provisorische Strassenverkehrsnetz im Ellinikon, es umfasst dutzende Kilometer Schotterpisten. Überall Lastwagen. Der Ingenieur muss aufpassen, dass ihm keiner unvermittelt vor die Nase fährt. Am Yachthafen hält sein Auto. Hier ankern bereits zahlreiche teure Boote. Er soll dereinst 300 Einheiten aufnehmen können, auch Boote mit über 100 Metern Länge.

Die Überbauung am Hafen wird das «High End» sein in Ellinikon, mit den teuersten Apartments, Beach Club, Spielkasino (2000 Automaten und 200 Spieltische, so der Plan) und einem Hotel der Kette «Hard Rock». Eine Luxusherberge, deren Name bald bekannt werden soll, hat sich angekündigt, ebenso der erste Louis Vuitton Flagship-Store Griechenlands.

Der Begleiter zeigt auf das Ufer nordwärts. Hier entsteht ein Strandabschnitt für alle. Das Wort «öffentlich» betont der Ingenieur - und wiederholt es zwei-, dreimal. Ein Hinweis darauf, dass offenbar noch Vorbehalte gegenüber dem Projekt bestehen. Dass hier etwa ein abgesperrter Wohnraum für Reiche entsteht. Dagegen wehren sich die Verantwortlichen. So soll auch der Mega-Park von Ellinikon der Öffentlichkeit zugänglich sein (ausser nachts). Und auch das Besucherzentrum habe schon rund 3 Millionen Leute angezogen.

Fahrt durch einen bereits gut ausgebauten, 1,15 Kilometer langen Tunnel mit drei Spuren je Fahrtrichtung. Er soll die viel befahrene Küstenstrasse entlang der Athener Riviera entlasten, welche in Zukunft durch Ellinikon führt. Entlang dieser Strasse stehen schon vor längerer Zeit erbaute Häuser, welche künftig eine Top-Lage zur Trabantenstadt haben. Die Hausbesitzer erleben hier im noblen Athener Vorort Glyfada, wie auch andere Immobilieneigentümer rund um Ellinikon, eine kaum geglaubte Wertvermehrung ihrer Objekte. Die Preise sollen sich verdoppelt haben. Es ist wie ein Sechser im Lotto.

Denn lange Zeit deutete hier nichts auf ein Mega-Städtebauprojekt mit einem Investitionsvolumen von bis 9 Milliarden Euro hin. Von 1938 bis 2001 starteten und landeten hier Flieger auf dem Athener Stadtflughafen Athen-Ellinikon, der bis 1993 auch eine Basis der US Air Force hatte. Für die olympischen Sommerspiele 2004 wurde mit Athen-Eleftherios Venizelos ein neuer Flughafen gebaut. Ab 2001 geschah in Athen-Ellinikon fast 20 Jahre lang nichts. Das alte Flughafengelände wurde zum «Lost Place», zu einem Geisterort. Hangars und Sportanlagen der Sommerolympiade verlotterten unter der heissen griechischen Sonne, Flüchtlinge schlugen ihre Zelte auf.

Alter Flughafen Athen-Ellinikon, der bis 2001 in betrieb war.

Alter Flughafen Athen-Ellinikon, der bis 2001 in Betrieb war.

Quelle: IMAGO / Depositphotos
Luftbild vom alten Flughafen Athen-Ellinikon, der 2001 geschlossen wurde.

Luftbild vom alten Flughafen Athen-Ellinikon, der 2001 geschlossen wurde.

Quelle: imago/Marius Schwarz

Erste Belebungsversuche scheiterten wegen der Finanz- und dann Staatsschuldenkrise, welche Griechenland hart traf. Doch es war schliesslich auch diese Krise, welche die Grundlage für das Städtebauprojekt «The Ellinikon» bildete. Denn die Privatisierung des alten Flughafengeländes war eine der Auflagen zu den umfangreichen Hilfskredite, welche Griechenland von europäischen Staaten, der Europäischen Zentralbank und vom Internationalen Währungsfonds erhielt.

Doch anders als der riesige Containerhafen weiter nördlich in Piräus, der ebenfalls privatisiert werden musste und mit der chinesischen Reederei Cosco nun Mehrheitseigentümer aus China hat, wird «The Ellinikon» von Einheimischen kontrolliert. Der Immobilienentwickler Lamda Development erhielt 2014 den Zuschlag für das Gelände. Hinter Lamda als Hauptaktionärin steht die nahe Genf wohnhafte Familie Latsis mit dem Milliardär, Bankmanager und Unternehmer Spiros Latsis als prominentestem Vertreter. Spiros Latsis, der als reichster Grieche gilt, hält auch eine 45-Prozent-Beteiligung am Zürcher Vermögensverwalter EFG International. Allein dieses Investment hat einen Börsenwert von rund 2,5 Milliarden Franken.

Daneben gehört den Latsis der Ölverarbeiter Hellenic Petroleum, eine Reederei sowie diverse Immobilien weltweit. Die Familie ist auch Mehrheitsaktionärin der EFG Bank, der drittgrössten Finanzinstitut Griechenlands. Lamda Development selber ist an der Athener Börse kotiert. Vanguard, Blackrock oder der norwegische Staatsfonds halten laut Bloomberg kleinere Beteiligungen. Die Aktie hat seit dem Listing Mitte 2022 rund 20 Prozent gewonnen. Erst letzte Woche hat die Firma eine Anleihe in der Höhe von 500 Millionen Dollar zur Finanzierung von Immobiloienprojekten herausgebracht.

Holcim und Geberit bauen in Ellinikon

Der Bau von Ellinikon fällt in eine für Griechenland günstige Zeit, wenn man die Finanz- und Kapitalmärkte als Gradmesser heranzieht. Der Leitindex der Börse Griechenlands ist in den letzten drei Jahren von rund 800 Punkten zeitweilig bis auf 2135 Zähler gestiegen. Allein in den letzten zwölf Monaten hat der Index 45 Prozent zugelegt. Griechenland, einst das Sorgenkind Europas, hat seine Schuldenquote von 180 Prozent vor zehn Jahren auf 147 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gedrückt. Laut EU wird die Quote bis 2035 auf unter 120 Prozent sinken - und damit wird Griechenland womöglich Länder wie Frankreich, Italien und Belgien hinter sich lassen.

Neben dem alten Flughafen-Tower, der noch nicht abgerissen wurde, tauchen auf der Fahrt durch Ellinikon plötzlich Betonmischer von Holcim auf. Laut Firmenangaben liefert Holcim «Lösungen für 90 Prozent der Bauwerke» in Ellinikon. Auch Geberit baut mit: Der Sanitärtechniker rüstet unter anderem in der Ellinikon-Siedlung «Cove Residences» am Strand 500 Badezimmer der Luxuswohnungen mit Unterputzspülkästen aus.

Im Besucherzentrum, beherbergt in einem alten Flugzeug-Hangar, lädt ein Sales-Manager zur visuellen Präsentation. Eben war er in Australien auf «Road Show», um die Apartments anzupreisen. Er verweist auf die grosse griechische Diaspora weltweit - eine attraktive, weil zahlungskräftige Zielgruppe. Auf einem grossen Bildschirm zeigt der redegewandte Mann bewegbare Bilder aus den Apartment-Inneren, er visualisiert die Sicht vom Balkon aus bei Morgenröte, Mittagssonne oder Sonnenuntergang.

Gebäude von «Little Athens» in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Gebäude von «Little Athens» in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Quelle: ZVG

Eben kam eine neue Tranche von Wohnungen mit dem Namen «Skyline Havens» auf den Markt: 150 Residenzen, verteilt auf acht neue Gebäude mit vier bis fünf Etagen. Die Preise bewegen sich zwischen 485’000 Euro und 4,5 Millionen Euro.

Mit dem bisherigen Verkauf der Apartments zeigt sich der Sales-Manager zufrieden. So seien alle Einheiten an der Küstenfront bereits verkauft. Und in der Ellinikon-Siedlung «Little Athens» sind 93 Prozent der angebotenen Residenzen vergeben, die Mehrheit davon an griechische Staatsbürger.

Wohnung in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Wohnung in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Quelle: ZVG
Wohnung in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Wohnung in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Quelle: ZVG

Der Anteil der Hypothekarkredite bei den verkauften Projekten betrage nur rund 35 Prozent, hebt der Manager hervor. Es würden keine Verkäufe an Immobilienfonds getätigt (so genannte «Bulk Sales»), und Weiterverkäufe der Residenzen seien zur Vermeidung von Spekulation bis zur deren Vollendung nicht erlaubt. Mit Verweis auf die Vorschriften als börsenkotierte Gesellschaft fügt er an: Keine Cash-Zahlungen beim Immobilienerwerb, nur Banküberweisungen.

Als wichtigen Zeitpunkt für Ellinikon gibt der Sales-Manager Ende 2028 an. Bis dann sollen 1500 Apartments bezugsbereit sein. Den Endpunkt für das Projekt sieht er im Jahr 2037. Dazwischen liegen zwölf Jahre - und einige Wirtschaftszyklen. Das «Projekt mit weltweiter Ausstrahlung» - es wird von der Immobilienwelt und Städtebauern sicher genau verfolgt.

Aussicht von einem Apartment im Riviera Tower in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Aussicht von einem Apartment im Riviera Tower in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Quelle: ZVG
Aussicht von einer Luxuswohnung in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Aussicht von einer Luxuswohnung in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Development).

Quelle: ZVG
Gebäude von «Little Athens» in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Developments).

Gebäude von «Little Athens» in der Überbauung «The Ellinikon» in Athen (Visualisierung: Lamda Developments).

Quelle: ZVG

Der Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise, zu der Lamda Development eingeladen hatte.

Daniel Hügli
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