«Die Finanzmärkte werden auf eine eventuelle Ablehnung nicht freundlich reagieren, obwohl das aus wirtschafts- und finanzpolitischer Sicht eigentlich angebracht wäre», sagte der Chefökonom von HQ Trust, Michael Heise, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. «Eher wird ein Scheitern des Pakets zu Abschlägen an den Aktienmärkten und zu Renditerückgängen führen, da es eine Regierungskrise auslösen könnte und die Handlungsfähigkeit in anderen Politikbereichen einschränken würde.»
Ähnlich sieht das der Vermögensverwalter DWS. «Sollte trotz allem die Koalition zerbrechen, wäre das für die Wachstumsaussichten Deutschlands negativ», sagte Martin Moryson, Global Head of Economics bei der DWS. Schliesslich ruhe ein Gutteil der Wachstumshoffnungen für kommendes Jahr auf stark steigenden Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur. Mit einer Minderheitsregierung oder einer lediglich geschäftsführenden Bundesregierung sei das schwer umsetzbar. «Dies dürfte sowohl Renten- wie auch Aktienmärkte belasten», warnte Moryson.
Das erwartet auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. «Die Kurse deutscher Aktien würden wohl sinken, falls das Rentenpaket durchfällt und die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns der Regierung deutlich steigt», sagte Krämer. «Aber letztlich würden sich die Verluste in Grenzen halten.» Mittlerweile hätten viele Anleger erkannt, dass die Regierung mit den vielen neuen Schulden kaum die Wachstumsaussichten verbessere, sondern auch viel Konsum finanziere. «Ausserdem ist es anders als ursprünglich angekündigt nicht zu den notwendigen Reformen auf breiter Front gekommen», fügte Krämer hinzu.
In der Unions-Fraktion gibt es nach wie vor Widerstand gegen das von der schwarz-roten Bundesregierung vereinbarte Rentenpaket. «Als Junge Gruppe halten wir das Rentenpaket für nicht zustimmungsfähig. Dabei bleibt es», heisst es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung der Gruppe, zu der 18 Abgeordnete gehören. Die Koalition hat nur zwölf Stimmen Mehrheit. Allerdings hatten sich zuvor etliche CDU-Politiker optimistisch geäussert, dass am Freitag im Bundestag die nötige Mehrheit für die Reform dennoch zustande kommt.
DWS-Experte Moryson hält ein Scheitern des Rentenpakets nicht für ausgemacht. «Selbst wenn das der Fall sein sollte, muss das nicht unbedingt ein Zerbrechen der Koalition zur Folge haben», sagte er. Von Neuwahlen hätte keiner der drei Koalitionäre einen Vorteil, während eine Minderheitsregierung für Bundeskanzler Friedrich Merz deutliche Nachteile hätte.
Rein inhaltlich sollte eine Ablehnung des Rentenpakets eher die Zinsen drücken und die deutschen Aktienmärkte stärken, sagte HQ Trust-Experte Heise. «Denn mit dem Rentenpaket wird die kritische Finanzlage der Sozialversicherungen in Deutschland weiter verschärft», sagte er. Die Inhalte des Rentenpakets stünden aber nicht im Fokus der Finanzmärkte, sondern «ob die Koalition hält oder eine Regierungskrise droht».
(Reuters)
