Auf Markenmedikamente sollen ab dem 1. Oktober 100 Prozent fällig werden, auf schwere Lastwagen 25 Prozent. Zudem sollen Zölle von 50 Prozent auf Küchenschränke und Badezimmerwaschtische sowie 30 Prozent auf Polstermöbel gelten. Trump kündigte die Massnahmen am Donnerstag auf seiner Plattform Truth Social an. Experten sagten dazu in ersten Kommentaren:
Cyrus de la Rubia, Chefökonom Hamburg Commercial Bank:
«Die Tinte unter dem neuen Abkommen ist noch nicht ganz getrocknet und schon wirft Donald Trump mit neuen Zöllen scheinbar alles wieder über den Haufen. In Wirklichkeit hat das Abkommen von Ende Juli für weite Teile des bilateralen Handels keine Regelungen festgelegt, sondern sich im Wesentlichen auf Autos und Autoteile konzentriert. Arzneimittel etwa blieben in dem Abkommen unberücksichtigt. Gerade die Pharmabranche ist mit ihrem hohen Exportanteil und der grossen Bedeutung der USA als Zielmarkt besonders stark gegenüber den Vereinigten Staaten exponiert.(...)
Die Abhängigkeit der USA von EU-Importen ist in einigen Produktkategorien wesentlich höher als man das bisher allgemein angenommen hatte. Beispielsweise importieren die USA Insulinpräparate zu 90 Prozent aus der EU. Bei der breiten Palette an chemischen Produkten, die die USA einführen, stammen fast 30 Prozent aus der Europäischen Union, ebenso im Sektor der Maschinen und elektrotechnischen Geräte. Diesen Hebel sollte die EU einsetzen, auch wenn die Gemeinschaft natürlich auf den militärischen Schutzschirm der USA angewiesen bleibt.»
Jörg Krämer, Chefökonom Commerzbank:
«Gestern verkündete Trump über die sozialen Medien die noch ausstehende Entscheidung über die Pharmazölle. Danach soll ab 1. Oktober ein 100-prozentiger Zollsatz auf alle patentgeschützten Medikamente anfallen, sofern die Hersteller keine US-Produktion aufbauen. Unklar ist aber, wer am Ende die Zölle tatsächlich zahlen wird. Rein technisch ist die Antwort einfach: Der US-Importeur zahlt die Zölle an die amerikanische Zollbehörde.
Kurzfristig kann der Importeur auf Zollerhöhungen auch kaum reagieren, wenn er an Lieferverträge ohne entsprechende Anpassungsklauseln gebunden ist und er die Preise für seine Kunden nicht massiv anheben kann. Mittelfristig wird er jedoch versuchen, zumindest einen Teil dieser Kosten an den ausländischen Exporteur und/oder an seine US-Kunden weiterzugeben. Entsprechend wird er versuchen, seinen Einkaufspreis vor Zöllen herunterzuverhandeln und seinen eigenen Verkaufspreis anzuheben.»
Angela Truniger, Finanzanalystin St. Galler Kantonalbank:
«Bislang waren Pharmaprodukte von den US-Zöllen ausgenommen. Die US-Regierung hatte solche Abgaben zwar schon länger angekündigt und eine entsprechende Untersuchung eingeleitet – obwohl Einfuhrzölle dem mutmasslich primären Ziel tieferer Medikamentenpreise widerlaufen. Daher ist es wahrscheinlich, dass die nun angekündigten Zölle auch als Druckmittel für weitere Preisverhandlungen mit den grossen Pharmaunternehmen dienen sollen. Dazu würde auch die wage Formulierung der Ausnahmeregelungen passen.
Für die Schweiz ist der Pharmasektor und die entsprechenden Exporte in die USA von zentraler Bedeutung. Rund 13% aller Schweizer Exporte in die USA entfallen auf Pharmagüter. Je nach Ausgestaltung der neuen Zölle könnten diese Handelsflüsse wesentlich belastet werden. Während börsenkotierte Konzerne dank bestehender Produktionsstandorte in den USA tendenziell besser abgesichert sind, dürften insbesondere KMU-Unternehmen ohne lokale Fertigung stärker unter Druck geraten. Insgesamt erhöht die Unsicherheit rund um die US-Zollpolitik das Risiko deutlicher Schwankungen für den Schweizer Aktienmarkt.»
Wolf von Rotberg, Analyst Bank J. Safra Sarasin:
«Präsident Trump kündigte gestern Abend auf Truth Social die Einführung eines 100%igen Einfuhrzolls auf Marken- und Patentmedikamente an, der ab 1. Oktober gelten soll. Ausgenommen sind Arzneimittel von Unternehmen, die Produktionsstätten in den USA errichten. Unklar ist, ob nur das jeweilige Produkt oder das gesamte Unternehmen von der Ausnahme profitieren wird. Ebenso unklar ist, ob die Maßnahme im Rahmen von Artikel 232 umgesetzt wird. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Zölle auch dann bestehen bleiben würden, wenn der Oberste Gerichtshof die Länderzölle für unzulässig erklären sollte. Bemerkenswert ist, dass Preisreduzierungen nicht als Ziel genannt werden. Folglich könnten die Preise für patentierte Arzneimittel steigen. Sollte dies eintreten, könnte die Zollausschreibung politisch kontraproduktiv wirken. Angesichts der fehlenden Details, der Möglichkeit, dass nur wenige Medikamente tatsächlich betroffen sein könnten, und des Risikos, dass allgemeine Preissteigerungen politisch negative Folgen hätten, raten wir davon ab, die Investitionen in die Pharmaindustrie aufgrund dieser Ankündigung zu reduzieren.»
Wolfgang Grosse Entrup, Hauptgeschäftsführer Branchenverband der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie:
«Das ist ein weiterer Schlag ins Gesicht. Und ein neuer Tiefpunkt für die Handelsbeziehungen mit den USA. Wenn der 15-Prozent-Deal nicht auch für Pharmaprodukte gilt, ist er nichts wert. Die EU-Kommission muss jetzt mit breitem Kreuz darauf drängen, dass beide Seiten zu den getroffenen Vereinbarungen stehen.»
Monika Boven, Analystin DZ Bank:
«Einfuhrabgaben in Höhe von 100 Prozent auf Pharmaprodukte würden vor allem die EU und Deutschland hart treffen. Denn die USA seien für die hiesigen Pharmafirmen der wichtigste Exportmarkt. Wenn man das derzeit gültige Rahmenabkommen zwischen den USA und der EU ernst nehme, wären die Europäer von der neuen Ankündigung Trumps nicht betroffen. Im bestehenden Abkommen gälten schliesslich US-Einfuhrzölle in Höhe von 15 Prozent auf fast alle Produkte – einschliesslich Pharmaerzeugnissen. Da US-Produkte gleichzeitig bei der Einfuhr nach Europa aktuell weitestgehend zollfrei bleiben sollen, haben die Amerikaner mit dem derzeitigen Abkommen grundsätzlich den besseren 'Deal' abgeschlossen. Eine Abkehr davon wäre somit für die USA ein Eigentor.»
(cash/Reuters)