Der EZB-Rat unter Präsident Mario Draghi hat signalisiert, dass die Fremdkapitalkosten "mindestens bis zum Sommer 2019" auf Rekordtiefs bleiben. Aber zwei Direktoriumsmitglieder sprechen bereits darüber, was danach passiert. Benoit Coeuré und Peter Praet möchten mehr über das Tempo der Erhöhungen reden, um keine Störung der Märkte hervorzurufen.

Die Bedenken in Bezug auf die Auswirkungen einer strafferen Geldpolitik werden wahrscheinlich durch die Erinnerung an die beiden Zinserhöhungen im Jahr 2011 verstärkt, die schnell rückgängig gemacht wurden, als die Eurozone in eine Rezession geriet. EZB-Vertreter bestehen darauf, dass die Wirtschaft jetzt stark genug ist, um globalen Risiken wie Handelsprotektionismus und Brexit zu begegnen, bezeichnen aber auch regelmässig die Marktvolatilität als Risiko. Das macht eine sogenannte dovishe Straffung zu einem attraktiven Ziel.

"Was sie den Anlegern mitteilen wollen, ist, dass der Start nur langsam vonstatten gehen wird", sagt Nick Kounis, Leiter Makro- und Finanzmarkt-Analyse bei der ABN Amro Bank NV in Amsterdam. "Die EZB hat ihre Kommunikations-Lektion von der Federal Reserve gelernt, und sie wollen sicher sein, dass sich die Märkte frühzeitig über ihre Pläne im Klaren sind."

Die geldpolitischen Entscheidungsträger stehen jedoch nicht alle auf der gleichen Seite. Ratsmitglied Ewald Nowotny, der Chef der österreichischen Zentralbank, sagte am Sonntag, dass sich die EZB-Vertreter "fragen sollten, ob es wirklich sinnvoll ist", die rekordniedrigen Zinsen für so lange festzuschreiben.

Die Fed wurde im Dezember 2015 unter der damaligen Vorsitzenden Janet Yellen viel gelobt, als sie die Zinsen erhöhte. Nach einem holprigen Start im Mai 2013, als Yellen stellvertretende Vorsitzende und Ben Bernanke ihr Chef war, erschreckte die US-Notenbank Anleger, als sie unerwartet signalisierte, dass die Anleihenkäufe zurückgeschraubt werden könnten. Doch dann schaffte es die Fed ohne grossen Unmut an den Märkten, erfolgreich die Zinsen anzuheben.

Schrittweise kommunizieren

Die Strategie bestand aus einer Reihe von schrittweisen Änderungen der Äusserungen von subtil bis unverhohlen, die signalisierten, dass eine Zinserhöhung näher rückt. Als die Wertpapierkäufe im Oktober 2014 endeten, erklärte die Fed, die Zinsen würden für eine "beträchtliche Zeit" nahe Null bleiben. Diese Formulierung wurde im Januar 2015 fallen gelassen, als sich die Wirtschaft verbesserte. Zugleich machten die geldpolitischen Entscheidungsträger deutlich, dass sie "geduldig" bleiben würden.

Im März machten sie eine Zinserhöhung von einer "weiteren Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt" abhängig. Bis Juli justierten sie ihre Formulierung dahingehend, dass sie auf "einige" weitere Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt warteten. Mit diesem zusätzlichen Wort rückten sie der Zinserhöhung näher. Die Fed signalisierte die Entscheidung schliesslich in ihrer Erklärung vom Oktober mit dem ungewöhnlichen Hinweis auf ihr "nächstes Treffen".

Praet, der Chefökonom der EZB, sagte am Donnerstag in New York, die Kommunikation darüber, wie die Geldpolitik über die erste Straffung hinaus anzupassen sei, werde im kommenden Jahr "immer mehr an Bedeutung" gewinnen.

Zinspfad bekanntgeben?

Coeuré, der einer der potenziellen Nachfolger von Draghi im November 2019 ist, sagte in Berlin, er würde es vorziehen, die wirtschaftlichen Bedingungen zu skizzieren, die höhere Fremdkapitalkosten rechtfertigten.

Er lehnte es ab, einen erwarteten Zinspfad bekanntzugeben, wie es die schwedische Riksbank tut. Die Fed verwendet einen sogenannte Dot-Plot-Chart, der anonyme Vorhersagen von geldpolitischen Entscheidungsträgern darüber, wie schnell sie mit steigenden Zinsen rechnen, abbildet.

Die norwegische Zentralbank hat letzte Woche gezeigt, dass das Tempo der geldpolitischen Straffung für die Märkte wichtiger sein kann als der tatsächliche Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung. Die Krone fiel, nachdem Gouverneur Oystein Olsen zum ersten Mal seit sieben Jahren die Zinsen erhöhte und zugleich seine Prognose herunterschraubte, wie schnell sie in den kommenden Jahren weiter steigen werden.

Die Bank von England, die im August ihren Leitzins auf den höchsten Stand seit der Finanzkrise angehoben hatte, verfolgt einen milderen Ansatz, der von den Unsicherheiten über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union geprägt ist. Dort heisst es, dass die künftigen Leitzinserhöhungen "schrittweise und in begrenztem Umfang" erfolgen werden.

Der Prozess hört nie auf. Die Fed ringt derzeit mit der Frage, wo die Straffung enden soll, und Chairman Jerome Powell überlegt, wie die Kommunikation zu ändern ist.

"Wenn die EZB die Kontrolle behalten will, sollte sie so früh wie möglich damit beginnen, über ihre Pläne zu reden", sagt Anatoli Annenkov, leitender Ökonom bei der Société Générale in London. "Es gibt genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Kommunikation zuweilen schwierig ist und die Märkte einem möglicherweise nicht glauben."

(Bloomberg)