"Die erste Gruppe von Herausforderungen ist konjunkturell", erklärte Enria im EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit, den die Europäische Zentralbank (EZB) am Dienstag in Frankfurt veröffentlichte. Wenn die Energiekrise nicht behoben werde, könne das Kreditrisiko bei Darlehen an Unternehmen mit stark energieabhängigen Geschäften steigen. Zudem sei die konjunkturelle Abschwächung Ende 2022 mit einem Wiederanstieg der Zahlungsausfälle von Unternehmen einhergegangen. Daher sei erhöhte Wachsamkeit gefordert hinsichtlich einer Verschlechterung der Kreditqualität.

Die im Juli 2022 eingeleitete Zinswende im Euro-Raum nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik ist nach Einschätzung der Bankenaufsicht insgesamt positiv für die Branche. Wenn sich die Konjunktur wie derzeit erwartet entwickele, würden sich weitere geordnete Zinsanhebungen wahrscheinlich günstig auf die Erträge auswirken, erklärte Enria. "Wenn wir jedoch vom Basisszenario abweichen und unvorteilhaftere Entwicklungen berücksichtigen, können die Dinge anders laufen." Kreditnehmer könnten dann Probleme haben, ihre Schulden bei Portfolios zurückzuzahlen, die traditionell sehr empfindlich auf Kreditkosten reagieren. Im Fokus der Bankenaufsicht stünden dabei insbesondere Verbraucherkredite, Immobilienkredite und Kredite an hochverschuldete Unternehmen (leveraged finance).

Angesichts der geldpolitischen Straffung müssten Banken zudem Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken stärker im Blick behalten, erklärte Enria. Es gelte, Risikomanagement und strategische Steuerung anzupassen. Manche Strategien zur Handhabung von Verbindlichkeiten könnten durch ein schwierigeres Finanzierungsumfeld in Frage gestellt werden. "Es besteht das Risiko, dass Banken überrascht werden könnten," warnte Enria.

Aufseher sehen Schwächen bei Risikokontrolle der Banken

Bei der Risikokontrolle und der internen Unternehmenssteuerung sehen die Aufseher noch deutliches Verbesserungspotenzial bei den Banken. "Das ist ein Bereich, in dem wir noch nicht genügend Fortschritte sehen", bemängelte Enria. Nötigenfalls wollen die Aufseher hier auch die Daumenschrauben anziehen. Dort wo Fortschritte am dringendsten nötig seien, sei die Bankenaufsicht entschlossen, alle Aufsichtsinstrumente und -befugnisse voll auszuschöpfen.

Die Ausgaben für die Aufsicht nahmen im vergangenen Jahr weiter zu. Die Bankenwächter stellten den Instituten für 2022 insgesamt 593,8 Millionen Euro in Rechnung - rund drei Prozent mehr als 2021. Für 2023 veranschlagen die Bankenwächter einen Ausgabenanstieg um neun Prozent auf 649 Millionen Euro.

(Reuters)