"Es ist unwahrscheinlich, dass die Zentralbank in naher Zukunft mit voller Zuversicht sagen kann, dass der Zinsgipfel erreicht ist", sagte die EZB-Präsidentin am Dienstag beim Symposium der Notenbank im portugiesischen Sintra. "Sofern sich der Ausblick nicht wesentlich ändert, werden wir die Zinsen im Juli weiter erhöhen."
In ihrer Rede zum Auftakt der jährlichen EZB-Klausurtagung betonte Lagarde zudem, die Währungshüter müssten klar kommunizieren, "so lange wie nötig auf diesem Niveau zu bleiben". Dies werde sicherstellen, "dass die Erhöhung der Zinsen nicht die Erwartung einer zu schnellen geldpolitischen Umkehr nährt" und die Massnahmen ihre "volle Wirkung" entfalten können.
Die ersten Auswirkungen der geldpolitischen Straffung würden bereits sichtbar, so Lagarde. Dies gelte besonders für die Industrie und das Baugewerbe, Sektoren also, die als besonders zinssensibel gelten. Aufholeffekte bei den Löhnen dürften indessen die zugrunde liegende Inflation weiter nähren, gab die EZB-Chefin zu bedenken.
"Angesichts des hartnäckigeren Inflationsprozesses brauchen wir eine hartnäckigere Politik — eine Politik, die nicht nur heute eine ausreichende Straffung bewirkt, sondern auch das restriktive Umfeld aufrechterhält, bis wir sicher sein können, dass diese zweite Phase des Inflationsprozesses überwunden ist", so Lagarde.
Die Mehrheit der Volkswirte geht davon aus, dass die EZB die Leitzinsen im Juli noch erhöhen, dann bei einem Einlagensatz von 3,75 Prozent aber eine Straffungspause einlegen wird. Am Geldmarkt derweil wird ein Zinsgipfel von rund 4 Prozent in diesem Jahr eingepreist.
"Im Moment müssen sich die Notenbanker auf die Seite derjenigen schlagen, die sagen: 'Wir haben viele Optionen, die Optionen liegen auf dem Tisch, und wir werden weiter erhöhen, wenn es nötig ist'", erklärte Ökonom Seth Carpenter von Morgan Stanley im Gespräch mit Bloomberg TV. "Ich glaube nicht, dass sie in absehbarer Zeit die Chance haben, den Sieg zu erklären."
(Bloomberg)
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PAUL ADOLPH VOLCKER ÜBER DIE AUSWIRKUNGEN DER INFLATION
„Inflation gilt als eine grausame, vielleicht sogar die grausamste Steuer, weil sie viele Sektoren und ungeplante Auswirkungen hat und Menschen mit festem Einkommen am härtesten trifft. Und im Gegensatz zu einigen früheren Annahmen gibt es zahlreiche Belege dafür, dass ärmere Menschen stärker betroffen sind als reichere Menschen, die beweglicher sind und mehr Möglichkeiten haben, sich zu schützen – denen zum Beispiel ihre Häuser gehören.“ (PBS-Interview)
Paul Adolph Volcker (* 5. September 1927 in Cape May, New Jersey; † 8. Dezember 2019 in New York City, New York) war von August 1979 bis August 1987 Vorsitzender (Chairman) des Federal Reserve System der Vereinigten Staaten von Amerika, nachdem er von 1975 an bereits der Federal Reserve Bank of New York vorgestanden hatte. Er war Vorsitzender des Anfang 2009 gegründeten Economic Recovery Advisory Board des US-Präsidenten Barack Obama. Am 6. Februar 2011 legte Volcker sein Amt nieder. Volcker war Direktor des American Council on Germany, langjähriges Mitglied und ehemaliger Direktor des Council on Foreign Relations und der Trilateralen Kommission.[