Nach dem massiven Teuerungsschub im vergangenen Jahr beginnt der Inflationsdruck in der Euro-Zone nach Ansicht von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane langsam abzunehmen. Die kräftigen Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) entfalteten allmählich ihre Wirkung, sagte Lane in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. "Für Energie, Lebensmittel und Waren gibt es viele vorausschauende Indikatoren, die anzeigen, dass der Inflationsdruck in all diesen Kategorien ziemlich deutlich zurückgehen dürfte", führte er aus. "Wir haben auch die Bestätigung erhalten, dass unsere Geldpolitik wirkt."

Die EZB vollzog im Kampf gegen die hohe Inflation im Juli 2022 die Zinswende und hat seitdem die Schlüsselsätze im rasanten Tempo bereits fünf Mal um insgesamt 3,0 Prozentpunkte angehoben. Der an den Finanzmärkten massgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt inzwischen bei 2,50 Prozent. Für die nächste Zinssitzung im März hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits eine weitere Anhebung um 0,50 Prozentpunkte in Aussicht gestellt.

Lane zufolge steigt die preisdämpfende Wirkung des Straffungskurses mit der Zeit. "Jeden Monat, jedes Quartal werden mehr und mehr Menschen mit dem neuen Zinsumfeld konfrontiert und so nimmt die Wirkung der Geldpolitik zu", erläuterte er. Bislang sei nur eine Minderheit an Unternehmen und Haushalten den Zinserhöhungen voll ausgesetzt. "Deshalb wird die zweite Hälfte dieses Jahres sehr wichtig sein, denn dann wird es ein ganzes Jahr her sein, seit wir mit den Zinserhöhungen begannen", betonte er.

Lane nannte drei Kriterien, die erfüllt sein müssten, damit die Notenbank ihren Zinserhöhungskurs beendet. "Ein Element sind unsere Inflationsprojektionen, und hier meine ich den ganzen Pfad, nicht nur den Endpunkt", sagte er. Dazu müssten Fortschritte bei der Senkung der Kerninflation, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet sind, in den Daten zu sehen sein. Und es müsse drittens bewertet werden, wie kraftvoll und schnell der Straffungskurs der Notenbank wirke.

(Reuters)