Für die März-Zinssitzung hatte die Europäische Zentralbank (EZB) bereits eine Anhebung um einen halben Prozentpunkt in Aussicht gestellt. "Bei einer so hohen Inflation scheinen weitere Zinserhöhungen über den März hinaus wahrscheinlich, logisch und angemessen", sagte Rehn in einem am Montag veröffentlichten Interview der "Börsen-Zeitung". Es sei wichtig, dass die Notenbank bei den Leitzinsen den restriktiven Bereich erreiche und dann einige Zeit auf dem Niveau bleibe. Die EZB sei kurz davor, zu diesem Bereich zu gelangen.

Unter einem restriktiven Zinsniveau verstehen Volkswirte ein Niveau, bei dem eine Volkswirtschaft gebremst wird. Rehn sitzt im 26-köpfigen Rat der EZB, der über die Zinsen im Euro-Raum entscheidet. Bereits am Freitag hatten mit EZB-Direktorin Isabel Schnabel und Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau zwei führende Währungshüter die Ansicht vertreten, dass die Euro-Notenbank noch eine Wegstrecke im Kampf gegen den Teuerungsschub vor sich habe.

Die EZB hatte im Juli 2022 die Zinswende vollzogen und seitdem die Schlüsselsätze in einem rasanten Tempo bereits fünf Mal um insgesamt 3,0 Prozentpunkte angehoben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt inzwischen bei 2,50 Prozent. An den Finanzmärkten wird derzeit davon ausgegangen, dass die EZB auf ihrem Erhöhungskurs bis zum Ende des Sommers den Zinsgipfel bei rund 3,7 Prozent erreichen wird.

"Ich gehe nach aktuellem Stand davon aus, dass wir im Laufe des Sommers den Höhepunkt im aktuellen Zinszyklus erreichen werden", sagte Rehn der Zeitung. Die EZB werde die Zinsen so lange erhöhen und dann auf einem hohen und restriktiven Niveau halten, bis sie einen klaren und nachhaltigen Rückgang der Inflation sehe. "Wir werden bei den Zinsen nicht der Übertreibung willen übertreiben. Wir sollten aber auch nicht übereilt über Zinssenkungen diskutieren," merkte er an.

Die Inflation im Euro-Raum war zwar im Januar auf 8,5 Prozent von zuvor 9,2 Prozent im Dezember gesunken. Doch die Kerninflation, in der die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausgeklammert bleiben, verharrte im Januar bei 5,2 Prozent. Das bereitet vielen Währungshütern und auch Rehn Sorgen. "Es ist kaum vorstellbar, dass wir die Zinserhöhungen stoppen, solange die Kerninflationsrate weiter anzieht und derart hoch liegt", führte er aus. Er gehe aber davon aus, dass auch die Kernrate im Verlauf des Jahres zurückgehen werde. "Wir müssen aber auch vorbereitet sein dafür, dass es Verzögerungen oder Enttäuschungen gibt." Deswegen brauche die EZB im Kampf gegen die Inflation Durchhaltevermögen und Hartnäckigkeit.

Wie andere Währungshüter hält es auch Rehn für möglich, dass die Euro-Zone in diesem Jahr um eine Rezession herumkommt. Finnlands Notenbank-Gouverneur rechnet zudem damit, dass das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone in diesem Jahr stärker ausfallen wird als noch im Dezember von der EZB vorhergesagt. "Ein Wert irgendwo bei rund 1,0 Prozent scheint realistisch", sagte er. Die EZB hatte im Dezember 0,5 Prozent Wachstum prognostiziert. "Wir erwarten zudem im Laufe dieses Jahres und im nächsten Jahr einen wirtschaftlichen Aufschwung."

(Reuters)