Die Europäische Zentralbank bleibt in einer Welt voller Krisen vorsichtig: Sie lässt den für Sparer und Banken relevanten Einlagenzins unverändert bei 2,0 Prozent, wie die Notenbank mitteilte. Das entschied der EZB-Rat, der ausnahmsweise in Florenz tagte und nicht am Sitz der Notenbank in Frankfurt.

Damit bleibt die EZB nach einer Serie von Zinssenkungen in Lauerstellung, während die US-Notenbank Fed am Mittwoch die Leitzinsen zum zweiten Mal in diesem Jahr senkte. Schon im Juli und September hatte die EZB die Leitzinsen im Euroraum unverändert gelassen und auf ein «aussergewöhnlich unsicheres Umfeld» hingewiesen.

Inflation eingedämmt

Zuvor hatte die Notenbank die Leitzinsen achtmal binnen eines Jahres herabgesetzt. Noch im Frühjahr 2024 lag der Einlagenzins, den Banken erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, doppelt so hoch bei 4,0 Prozent. Seither sind auch die Sparzinsen deutlich gesunken.

Wichtigste Aufgabe der EZB ist es, für einen stabilen Euro zu sorgen und so die Kaufkraft der Menschen zu erhalten. Das Ziel sieht die Zentralbank bei einer Inflationsrate von mittelfristig 2,0 Prozent gewährleistet. Die Leitzinsen der EZB haben weitreichende Auswirkungen an den Finanzmärkten und beeinflussen etwa die Höhe der Kreditzinsen für Unternehmen und die Zinsen für Sparer.

Leichter Aufwärtstrend bei Sparzinsen

Zuletzt beobachtete das Vergleichsportal Verivox wieder leicht steigende Tages- und Festgeldzinsen. Allerdings mache die angezogene Inflation den Effekt zunichte, sodass Sparer unterm Strich Geld verlieren - insbesondere mit Tagesgeld, das zuletzt im Schnitt 1,28 Prozent Zinsen abwarf, während sich die Teuerung über der 2-Prozent-Marke eingependelt hat.

An den Finanzmärkten ist mit der Zinspause der EZB die Erwartung sinkender Leitzinsen geschwunden. Viele Ökonomen glauben, dass die Notenbank die Zinsen dieses Jahr nicht mehr antasten wird: Die nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ausgeuferte Inflation im Euroraum ist eingedämmt. Für das laufende Jahr erwartet die EZB eine Teuerungsrate von 2,1 Prozent. Das wäre nur leicht über dem Ziel der Notenbank von 2,0 Prozent.

Zudem hält sich die Wirtschaft in der Eurozone trotz höherer US-Zölle robuster als erwartet. Im dritten Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt nach Daten von Eurostat um 0,2 Prozent zu, getragen von einstigen Krisenländern wie Spanien und Portugal sowie Frankreich. Zuletzt hob die EZB ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr sogar leicht an. Und angesichts der vielen Unruheherde, darunter die Regierungskrise in Frankreich, spricht viel dafür, dass sich die Notenbank alle Optionen offen und ihr Pulver trocken halten will. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel betonte jüngst, er sehe geldpolitisch «gegenwärtig keinen Handlungsbedarf».

Lagarde sieht EZB gerüstet für Schocks

EZB-Präsident Christine Lagarde sah die Notenbank zuletzt in einer guten Position. Bei einem Einlagenzins von 2,0 Prozent habe die EZB Spielraum, um zu reagieren, falls sich die Inflationsrisiken verschieben oder neue Schocks auftreten sollten, sagte sie.

Zuletzt sorgte die Regierungskrise in Frankreich für Unruhe an den Finanzmärkten. Erst kürzlich senkte die Ratingagentur S&P ihre Bonitätsnote für Frankreich, was den Druck auf das hochverschuldete Land erhöht.

Vorerst Ruhe im Zollstreit

Manche Volkswirte sehen auch die Inflationsrisiken im Euroraum nicht ganz gebannt. So stiegen die Verbraucherpreise im September auf 2,2 Prozent. Im Währungsraum hält sich zudem die Inflation ohne die stark schwankenden Lebensmittel- und Energiepreise hartnäckig, zuletzt lag diese sogenannte Kerninflation bei 2,3 Prozent.

Immerhin: Die Sorgen um den Zollstreit mit den USA sind gesunken. Zwar bleibt US-Präsident Donald Trump unberechenbar, doch mit dem Handelsabkommen zwischen Washington und Brüssel ist das Szenario einer Eskalation ausgeblieben. Noch im Frühjahr hatten manche Notenbanker, gerade aus Südeuropa, für weitere Zinssenkungen plädiert, um die Konjunktur anzukurbeln.

(AWP/Reuters)