Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, wie schon im Mai die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte hoch zu setzen. Das ist bereits die achte Anhebung in Folge, seit die Notenbank im vergangenen Sommer nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik auf einen Straffungskurs umgeschwenkt war.
Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit künftig bei 3,50 Prozent - das höchste Niveau seit 22 Jahren. Die EZB teilte zudem mit, dass ihre künftigen Beschlüsse dafür sorgen werden, dass die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht werden. Dies soll eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Zwei-Prozent-Ziel ermöglichen.
"Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir die Zinsen im Juli weiter anheben werden", sagte Lagarde am Donnerstag im Anschluss an die Zinsentscheidung des Rates der Europäischen Zentralbank. "Wir sind noch nicht am Ziel", bekräftigte Lagarde. "Wir denken nicht an eine Pause." Die nächste EZB-Zinssitzung ist für den 27. Juli anberaumt.
"Die EZB macht derzeit einen überzeugenden Job, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen", sagte Friedrich Heinemann vom Mannheimer Forschungszentrum ZEW. Trotz eines ungünstigen Konjunkturausblicks hebe sie die Zinsen weiter an und demonstriere, dass die Rückkehr zur Preisstabilität Priorität habe.
Chefökonom Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank erklärte: "Die EZB hat klar signalisiert, mit Zinserhöhungen weiterzumachen." Statt müde zu werden sei sie bezüglich der Inflationsaussichten weiter hellwach. Unverändert werde ein ausreichend restriktives Zinsniveau angestrebt.
Laut Europäischer Zentralbank (EZB) hat sich die Inflation zwar verringert. Sie werde den Projektionen zufolge jedoch zu lange zu hoch bleiben, erklärten die Währungshüter. Die EZB sei entschlossen, für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von zwei Prozent zu sorgen. Dabei werde die Notenbank weiter datenabhängig vorgehen. Zugleich wirkten sich die bisherigen Zinserhöhungen bereits stark auf die Finanzierungsbedingungen aus und kämen allmählich in der gesamten Wirtschaft an.
Zinserhöhungen im Eiltempo
Die Euro-Wächter haben mit ihrem jüngsten Schritt seit dem vergangenen Sommer die Schlüsselsätze um insgesamt 4,00 Prozentpunkte angehoben. Ihre Arbeit ist aber voraussichtlich noch nicht erledigt. Denn die Inflation geht zwar inzwischen zurück, sie lag mit 6,1 Prozent im Mai zuletzt immer noch klar über dem von der Notenbank angestrebten Ziel von zwei Prozent.
Die viel beachtete Kernrate, bei der die schwankungsreichen Energie- und Rohstoffpreise herausgerechnet sind, beginnt zudem erst, sich langsam abzuschwächen. Mit 5,3 Prozent im Mai ist sie ebenfalls noch deutlich zu hoch. Die Kernrate gilt als guter Indikator für die zugrundeliegenden Inflationstrends und wird deshalb von den Währungshütern genau verfolgt.
Die konjunkturelle Gemengelage ist für die Währungshüter nicht einfach. Denn die Wirtschaft in der Euro-Zone war im Winter in eine Rezession gerutscht, und für das Gesamtjahr erwarten Volkswirte derzeit nur ein bescheidenes Wachstum. Zudem beginnen die bisherigen Zinserhöhungen ihre Wirkung zu entfalten.
So hat sich beispielsweise die Dynamik bei der Kreditvergabe bereits deutlich abgeschwächt. Die Notenbank will aber möglichst vermeiden, dass die Wirtschaftsaktivitäten im Zuge ihres Straffungskurses ausgebremst werden. Auf der anderen Seite des Atlantiks hat die US-Notenbank Fed nach zehn Zinserhöhungen in Folge erst einmal eine Pause eingelegt. Die Fed deutete aber an, dass sie noch bis zu zwei kleinere Schritte für dieses Jahr ins Auge fasst.
Die Schweizerische Nationalbank entscheidet am 22. Juni über mögliche Zinserhöhungen.
(Reuters/cash)