Die erste Zinsentscheidung des Jahres der Europäischen Zentralbank ist nur noch wenige Tage entfernt. Das Interesse hat sich aber schon auf die übernächste Sitzung verlagert, da ein Zinsschritt um einen halben Prozentpunkt am Donnerstag als ausgemachte Sache gilt.

Mit Spannung erwartet werden hingegen Hinweise in den geldpolitischen Beschlüssen und in den Äusserungen von Präsidentin Christine Lagarde nach der Ratssitzung — insbesondere was die März-Sitzung angeht. Die Frage ist, ob Zeichen für einen weiteren Halbprozent-Schritt sich verdichten, oder ob ein Hintertürchen offenbleibt dafür einen Gang zurückzuschalten.

Langsamere Zinserhöhungen möglich

Die Argumente für eine Fortsetzung der intensivsten geldpolitischen Straffung der EZB-Geschichte sind stark. Die Inflation ist zwar rückläufig, liegt aber näher am zweistelligen Bereich als am Zielwert von 2 Prozent. Die Kerninflation gewinnt an Fahrt.

Doch mit den sinkenden Energiepreisen und der erwarteten Verlangsamung in der geldpolitischen Straffung der Federal Reserve wachsen die Zweifel an der Beibehaltung des Tempos. Einige Mitglieder des 26-köpfigen EZB-Rates denken bereits über langsamere Zinserhöhungen nach.

"Wir werden sehr genau darauf achten, was über künftige Zinsschritte gesagt wird, ob sie im Vergleich zum Dezember genauso aggressiv oder sogar noch aggressiver ausfallen - oder ob der Ton etwas weicher wird", sagte Felix Hüfner, Ökonom bei der UBS. Er rechnet mit einem halben Prozentpunkt im Februar und im März und vielleicht noch einem im Mai.

Zahlen im März ausschlaggebend

Der deutsche Bundesbankpräsident Joachim Nagel und sein französischer Kollege Francois Villeroy de Galhau präferieren zwei Halbpunktschritte, ebenso die Ratsmitglieder aus Österreich, Slowenien, der Slowakei, Finnland, Irland und den baltischen Ländern. Top-Falken wie der Niederländer Klaas Knot sehen keinen Spielraum für eine Verlangsamung vor Mitte des Jahres.

Am Tauben-Ende des Spektrums fragte der italienische Notenbankchef Ignazio Visco, ob es "besser sei, eine zu starke Straffung zu riskieren als eine zu schwache". Der griechische Gouverneur Yannis Stournaras drängte auch "allmählichere" Schritte.

Diese Woche sind die Inflationsdaten für Januar fällig, die in Spanien heute schonmal deutlich über den Schätzungen lagen. Diese Werte sind allerdings verzerrt durch statistische Effekte und die staatlichen Interventionen gegen die hohen Energiepreise. Im März dürfte der Ausblick für die Inflation nach dem milden Winter und den gut gefüllten Erdgaslagern wahrscheinlich besser ausfallen, und den Falken mehr Munition liefern.

Lagarde muss klare Linie finden

Die grösste Herausforderung für Lagarde wird darin bestehen, eine gemeinsame Sprache für den Rat zu finden, die länger als ein paar Tage hält, meint ING-Volkswirt Carsten Brzeski. "Lagarde muss eine bessere und klarere Kommunikation darüber finden, was die genaue Reaktionsfunktion der EZB ist", sagt Brzeski. "Was sind die Auslöser für ein Ende der Zinserhöhungen? Headline-Inflation, Kerninflation, Inflationserwartungen, Lohnentwicklung?"

Es könnte schwierig werden, aus den gegensätzlichen Ansichten eine klare Botschaft zu destillieren. Deshalb plädiert Direktoriumsmitglied Fabio Panetta, der selbst eher als Taube gilt, dafür, alle relevanten Daten abzuwarten.

"Unsere Entscheidungen vom Dezember basierten auf den zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Prognosen", sagte er letzte Woche. "Im März werden wir neue Daten haben und sollten die Situation neu bewerten."

(Bloomberg)