Trotz der überraschend starken Zinserhöhung im Juli sind mehr als zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass die Hüter des Euro im Kampf gegen die Teuerung zu langsam gehandelt haben. Die August-Daten haben für die Eurozone gerade einen Anstieg der Verbraucherpreise um 9,1 Prozent gezeigt, mehr als erwartet wurde.

Für die geldpolitische Entscheidung in der nächsten Woche prognostizieren die Volkswirte einen Zinsschritt um 75 Basispunkte. Zudem gehen sie davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus mit einem höheren Endwert ausklingen wird als bislang angenommen. 

Die Umfrage reflektiert die Erwartung, dass die EZB dem Kampf gegen die Teuerung trotz der damit einhergehenden Rezessionsgefahr Vorrang einräumen wird. Mit einer Zinsanhebung um 75 Basispunkte, die inzwischen auch von den Geldmärkten eingepreist wird, würde sich die EZB dem geldpolitischen Kurs der Federal Reserve nähern, die bereits zwei Zinsschritte in dieser Größenordnung vorgenommen hat.

"Die EZB wird ihre Zinserhöhungen in einem beschleunigten Tempo fortsetzen und ein Falken-Signal senden", erwartet Swedbank-Ökonom Nerijus Maciulis. "Sie muss ihren Ruf wiederherstellen und dafür sorgen, dass sie einen Inflationsrückgang als Sieg für sich verbuchen kann."

Schnellere Zinserhöhungen dürften zudem den Euro stützen, der mit dem aggressiven Zinserhöhungskurs der Fed unter Druck geraten ist. Dies würde für Entspannung in Bezug auf die Teuerung sorgen, die durch die Währungsschwäche beim Import von Rohstoffen bewirkt wurde. 

Christine Lagarde wird nächste Woche aktualisierte Prognosen vorlegen

Die überwiegende Mehrheit der befragten Analysten geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone mindestens zwei Quartale lang schrumpfen wird. Mehr als die Hälfte der Befragten geht nicht davon aus, dass der Abschwung länger dauern wird.

"Die EZB wird weiterhin eine harte Linie gegen die Inflation fahren, obwohl es Anzeichen für eine Verlangsamung des Wachstums gibt", so Claus Vistesen, Ökonom bei Pantheon Macroeconomics. "Wir gehen sogar davon aus, dass die EZB offen zugeben wird, dass sich die Wirtschaft in einer Rezession befindet, dass sie die Zinsen aber trotzdem weiter erhöhen wird."

EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird nächste Woche aktualisierte Prognosen vorlegen, die das geldpolitische Dilemma verdeutlichen dürften: Während die Konjunkturschätzungen wohl gesenkt werden, werden die Inflationsprognosen voraussichtlich nach oben korrigiert.

Auch im Jahr 2024 dürfte die Teuerungsrate im Euroraum noch über dem EZB-Zielwert von 2 Prozent liegen. Die Bandbreite der Prognosen ist diesbezüglich jedoch gross, was die Schwierigkeiten bei der Vorhersage inmitten der durch den Krieg in der Ukraine verursachten Unsicherheit widerspiegelt.

(Bloomberg)