«Es wurde betont, dass es keinen Spielraum für Selbstzufriedenheit gebe und dass es nicht die Zeit sei für den EZB-Rat, weniger wachsam zu sein», hiess es in dem Protokoll der Dezember-Sitzung, das die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag veröffentlichte. Vorsicht sei geboten, da die Inflation wahrscheinlich in naher Zukunft ansteigen werde. Anhaltende Wachsamkeit und Geduld seien als notwendig erachtet worden. Der restriktive Kurs müsse für einige Zeit beibehalten werden. Es gebe weiter Unsicherheiten hinsichtlich der Löhne und der zugrundeliegenden Inflationsdynamik.

«Dies legte nahe, dass es immer noch zu früh sei, um zuversichtlich zu sein, dass die Aufgabe erledigt ist,» hiess es im Protokoll. Die EZB hatte auf der Sitzung an den Zinsen wie zuvor schon im Oktober nicht gerüttelt. Der Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, wurde bei 4,00 Prozent belassen. Das ist das höchste Niveau seit Beginn der Währungsunion 1999. Die nächste Zinssitzung der Euro-Wächter ist kommende Woche am Donnerstag.

Volkswirten zufolge zeigen die Protokolle, dass die Währungshüter zum Jahresausklang 2023 noch nicht bereit gewesen sind, Zinssenkungen ins Auge zu fassen. «Das Protokoll der Dezember-Sitzung der EZB zeigt, dass die Notenbank noch weit davon entfernt war, über Zinssenkungen zu diskutieren», meint etwa ING-Chefökonom Carsten Brzeski.

Börsen eilen EZB mit Zinssenkungsfantasien davon

Auf dem Treffen brachten die Währungshüter auch ihre Sorge zu Ausdruck, die Börsen könnten es mit ihren Zinssenkungsspekulationen übertreiben. «Es wurde die Sorge geäussert, dass die starken Neubewertungen am Markt die Finanzbedingungen übermässig lockern könnten», hiess es im Protokoll. Dies könne den Prozess der Inflationsverringerung gefährden. Seit dem Dezember-Treffen versuchten eine Reihe von Währungshütern, ausufernde Zinssenkungsfantasien an den Finanzmärkten wieder einzufangen. In den vergangenen Tagen nutzten mehrere Euro-Wächter, darunter EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, das laufende Weltwirtschaftsforum in Davos als Plattform, um sich gegen die Erwartung rascher Zinssenkungen zu stemmen.

Inzwischen haben sie damit auch einigen Erfolg: So wird am Finanzmarkt die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung bereits im März nur noch mit rund 19 Prozent taxiert. Noch vor einer Woche waren es 34 Prozent gewesen. Lagarde hatte unter anderem darauf hingewiesen, dass wichtige Daten zu den Lohnabschlüssen, die für die Einschätzung der Inflationsentwicklung benötigt würden, erst im späten Frühling vorliegen. Das wiederum würde Experten zufolge bedeuten, dass der früheste Zeitpunkt für die erste Zinssenkung der Juni wäre - wenn vorausgesetzt wird, dass der Finanzmarkt zuvor eine entsprechende Orientierung erhält.

(Reuters)