In einer Woche, die erstmals mit einer zweistelligen Inflationsrate für die Eurozone endete, sprach eine Mehrheit des 25-köpfigen EZB-Rats öffentlich zur Geldpolitik. Eine ganze Reihe sprach sich für einen zweiten Zinsschritt von 75 Basispunkten in Folge aus.

Einige Währungshüter bleiben zögerlich, weil die durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine ausgelöste Energiekrise eine Rezession in der Währungsunion immer näher rücken lässt. Die Verbraucherpreisdaten vom Freitag machten jedoch deutlich, dass Handlungsbedarf besteht: Im September schlug ein Rekordanstieg von 10 Prozent zu Buche.

Präsidentin Christine Lagarde machte den Anfang und wiederholte zu Beginn der Woche vor dem Europäischen Parlament, dass die Zinsen noch in “mehreren Sitzungen” angehoben würden, auch wenn sich die Konjunktur “erheblich verlangsamen” werde.

Während Lagarde das nicht weiter ausführte, zeigten sich einige ihrer Kollegen weniger zurückhaltend. Noch bevor Eurostat am Freitag den jüngsten Inflationsrekord bekannt gab, erklärten Martins Kazaks aus Lettland und Gediminas Simkus aus Litauen gegenüber Bloomberg, dass sie wie ihre Kollegen aus Österreich, Slowenien und der Slowakei zu einer weiteren Anhebung um drei Viertelpunkte tendieren würden.

Der Este Madis Müller wünscht sich “etwas in der gleichen Grössenordnung” wie die bisherigen beiden Schritte der EZB -- 50 und 75 Basispunkte --, eine Meinung, die von Olli Rehn aus Finnland geteilt wurd. Andere hielten sich mit numerischen Präferenzen zurück, trugen aber mit Forderungen nach “entschlossenem Handeln” zur Debatte bei -- darunter Bundesbankpräsident Joachim Nagel.

Gegenstimmen aus Südeuropa

Es gab auch Gegenstimmen: Chefökonom Philip Lane hält es für viel zu früh, um über das Ausmass der nächsten Zinserhöhung zu entscheiden, und geht sogar so weit zu sagen, dass Spekulationen darüber “nicht besonders hilfreich” seien. Der portugiesische Notenbankchef Mario Centeno warnte vor schnellen Schritten, die möglicherweise später wieder rückgängig gemacht werden müssten.

Die Anleger nahmen jedoch den vorherrschenden Tonfall zur Kenntnis und rechnen nun mit einer Anhebung um 75 Basispunkte am 27. Oktober.

Darüber hinaus bleibt Unsicherheit bestehen. Die meisten Währungshüter erklärten, sie seien bereit, die Zinsen über den neutralen Satz hinaus zu erhöhen, der die Wirtschaftstätigkeit weder anregt noch einschränkt, falls die Inflation einen solchen Schritt rechtfertigt.

Während die meisten keine Prognose dazu abgeben wollten, wo der geldpolitische Straffungszyklus seinen Höhepunkt erreichen wird, lehnte sich einer aus dem Fenster: Pablo Hernandez de Cos. Die von ihm geleitete spanische Notenbank schätzt, dass eine so genannte “Terminal Rate” von 2,25 Prozent bis 2,5 Prozent die Inflation bis Ende 2024 auf das 2-Prozent-Ziel der EZB senken würde. Er warnte jedoch, dass es nicht ratsam sei, die Zinsen “sofort” auf das Endniveau anzuheben.

Bevor im Oktober die Zinsentscheidung fällt, wird nächste Woche eine Debatte über die Verkürzung der EZB-Bilanz geführt, wenn die Notenbanker in Zypern zusammenkommen. Lagarde äußerte sich am Montag zurückhaltend über einen zu schnellen Beginn des Prozesses. Andere würden gerne schneller anfangen.

(Bloomberg)