Die Märkte legten eine «optimistische» Sicht an den Tag, indem sie die Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen ignorierten und stattdessen womöglich schon für April die erste Senkung des EZB-Einlagensatzes einpreisten.
«Ist es ein Problem, wenn alle glauben, dass wir senken werden?», fragte der Chef der belgischen Notenbank im Bloomberg-Interview. «Dann haben wir eine weniger restriktive Geldpolitik. Und ich bin mir nicht sicher, ob sie dann restriktiv genug sein wird. Es erhöht also das Risiko, dass man in die andere Richtung korrigieren muss.»
Die EZB liess die Zinsen im Oktober zum ersten Mal in ihrem Straffungszyklus unverändert. Die Währungshüter warnten dabei, dass sie «ausreichend» lange auf dem gegenwärtigen Niveau belassen werden müssen, um die Inflation wieder auf das Ziel von 2% zu drücken. Einige EZB-Räte haben angedeutet, dass dies Änderungen der Geldpolitik in der ersten Hälfte des nächsten Jahres ausschliesst.
Marktwetten auf künftige Zinssenkungen fussen auf Wirtschaftsdaten, die auf eine drastisch nachlassende Inflation, aber auch auf Konjunkturprobleme hindeuten. Im EZB-Rat bestehen indessen weiterhin Bedenken in Bezug auf Lohnerhöhungen und das Risiko, dass der Konflikt im Nahen Osten die Energiepreise in die Höhe treibt.
„Ich glaube, die Märkte sind heute relativ optimistisch, dass sie die Möglichkeit ausschliessen, dass wir mehr tun müssen beziehungsweise, dass wir länger bei 4% bleiben müssen«, sagte Wunsch, der zu den Falken im EZB-Rat gezählt wird.
Die jüngsten Konjunkturprognosen der EZB gehen von einem Teuerungsrückgang auf 2% im zweiten Halbjahr 2025 aus. Aufgrund der Volatilität der Energiepreise dürfte die Inflation in der Zwischenzeit wieder anziehen. Der Wegfall staatlicher Hilfen zur Bewältigung hoher Lebenshaltungskosten bedeutet auch, dass die Fortschritte beim Kampf gegen die Inflation langsamer werden dürften.
„Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass die Inflation nicht schnell genug sinkt, werden wir das durch unsere Projektionen und durch unsere Kommunikation kommunizieren«, so Wunsch. Sollten die Märkte daraus nicht schliessen, dass die Zinsen länger hoch bleiben werden, »müssen wir unsere Zinsinstrumente nutzen und straffen, um dorthin zu gelangen, wo wir hin wollen.»
Mit Verweis auf die «jüngsten marginalen positiven Überraschungen bei der Inflation» rechnet Wunsch bei den nächsten beiden EZB-Zinsentscheidungen nicht mit einer Änderung der geldpolitischen Gangart.
(Bloomberg)