Wie eine Person mit direkter Kenntnis der internen Diskussionen der Währungshüter der Nachrichtenagentur Reuters mitteilte, werden die zum Zinsentscheid am Donnerstag vorliegenden aktualisierten Inflationsprojektionen für das kommende Jahr einen Wert von über drei Prozent ausweisen: Damit würde das Ziel der Notenbank von 2,0 Prozent recht deutlich verfehlt. Im Juni hatten die EZB-Fachleute nur einen Wert von 3,0 Prozent vorhergesagt.
Der Insider, der anonym bleiben wollte, sagte am Dienstag, der Zinsentscheid am Donnerstag werde dennoch ein enges Rennen. Für die Sitzung seien noch keine formalen Vorschläge unterbreitet worden. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.
Sollte der am Finanzmarkt derzeit massgebliche Leitzins, der sogenannte Einlagensatz, am Donnerstag erneut um einen viertel Prozentpunkt angehoben werden, würde er auf 4,00 Prozent steigen. Das wäre das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Eine Aufwärtsrevision der von den EZB-Fachleuten erwarteten Inflationszahl für 2024 wäre Wasser auf die Mühlen der sogenannten Falken, also der Befürworter einer weiteren Zinserhöhung. Denn die Zahl dürfte so interpretiert werden, dass sich der Preisdruck als zäher erweisen könnte, als die Währungshüter zunächst gedacht hatten. Am Geldmarkt wird es mittlerweile für eher wahrscheinlich gehalten, dass der EZB-Rat am Donnerstag eine weitere geldpolitische Straffung vornimmt als dass er eine Pause einlegt.
Die Inflationsprognose der EZB für 2025 dürfte sich laut dem Insider nicht grundlegend ändern. Im Juni hatten die Fachleute der Zentralbank einen Wert von 2,2 Prozent veranschlagt, womit das Inflationsziel der EZB auch Mitte des Jahrzehnts noch nicht erreicht wäre.
Der EZB-Stab hatte Mitte Juni für den Euroraum ein Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent für 2023, 1,5 Prozent für 2024 und 1,6 Prozent für 2025 veranschlagt. Der Wert für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werde für das laufende Jahr und 2024 herabgestuft, was in etwa den Markterwartungen entspreche, sagte der Insider. Von Reuters befragte Ökonomen erwarten für die Euro-Zone ein Wachstum von 0,6 Prozent in diesem Jahr und 0,9 Prozent im Jahr 2024. Das Zinserhöhungsstakkato der EZB hat die Konjunktur inzwischen deutlich gebremst. Im Frühjahr war die Wirtschaft in der 20-Ländergemeinschaft nur minimal um 0,1 Prozent gewachsen.
(Reuters)