Ökonomen erwarten, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde versuchen wird, Erwartungen einer baldigen Leitzinssenkung zu dämpfen. Auf der Sitzung dürften die Zinsen nach Einschätzung von Ökonomen nicht angetastet werden. Der Einlagensatz, zudem Banken bei der EZB Geld parken, sollte also bei 4,0 Prozent bleiben.

Seit Juli 2022 hat die Notenbank die Zinsen im Kampf gegen die hohe Inflation um insgesamt 4,5 Prozentpunkte angehoben. Der Einlagensatz ist seit der Einführung des Euro nie höher gewesen. Die zuletzt gestiegenen Zinssenkungserwartungen dürfte Lagarde versuchen zu dämpfen. Sonst könnten die zuletzt gesunkenen langfristigen Kapitalmarktzinsen die Inflationsbekämpfung erschweren. Die Wirkung der bisherigen Leitzinserhöhungen könnte also teilweise verpuffen.

Lagarde dürfte weiter mahnen

«Auf der Pressekonferenz zur EZB-Ratssitzung dürfte Präsidentin Lagarde wiederholen, dass die Leitzinsen für ausreichend lange Zeit auf einem restriktiven Niveau gehalten werden müssen», erwarten die Experten der Dekabank. Zuletzt war an den Finanzmärkten die Erwartung gestiegen, dass die EZB schon bald die Leitzinsen senken könnte. Schliesslich war die Inflation im November stark gesunken. Die Jahresrate liegt mit 2,4 Prozent nicht mehr weit vom Inflationsziel von zwei Prozent entfernt, nachdem sie im Oktober 2022 noch bei 10,6 Prozent gelegen hatte. Zudem schwächelt die Wirtschaft in der Eurozone und insbesondere in Deutschland.

Auch EZB-Vertreter trugen zu den Spekulationen bei. So sprach der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau davon, dass die Inflation aktuell schneller zurückgehe als erwartet. Terminkontrakte signalisieren, dass Investoren Zinssenkungen von insgesamt mehr als einem Prozentpunkt im Jahresverlauf erwarten. EZB-Direktorin Isabell Schnabel bezeichnete den Inflationsrückgang als «bemerkenswert». Sie betonte jedoch, dass die Inflation «nicht voreilig für besiegt erklärt» werden dürfe.

Inflation noch nicht gebannt

Ökonomen sehen jedoch weiter Inflationsgefahren. «Die Tür für eine geldpolitische Wende sollte daher noch nicht geöffnet werden», schreibt Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa bei der Fondsgesellschaft DWS. «Dazu sind die Unsicherheiten über den unterliegenden Inflationstrend immer noch zu gross.» Der Arbeitsmarkt beginne zwar etwas zu schwächeln, nicht aber das Lohnwachstum. Vor allem die knappen Arbeitskräfte im Dienstleistungssektor sorgten immer noch für erhebliche Inflationsrisiken. Andere Experten verweisen auf den Gaza-Konflikt und den Ukraine-Krieg. Eine Zuspitzung könnte sich auch auf das Preisniveau auswirken.

Hinweise erhoffen sich Beobachter auch von den anstehenden Projektionen der EZB. «Vor dem Hintergrund der jüngsten Daten dürfte diese insbesondere ihre Inflationsprognosen entsprechend senken», heisst in einem Ausblick der Commerzbank. «Ausserdem dürften die EZB-Experten angesichts der zuletzt eher schwachen Konjunkturdaten die Wachstumsprognosen leicht nach unten revidieren.»

Erwartet werden darüber hinaus Aussagen zu dem in der Pandemie aufgelegten Anleihekaufprogramm (Pepp). Hier werden Mittel aus auslaufende Anleihen im Gegensatz zum allgemeinen Kaufprogramm APP weiter reinvestiert. Bisher will die EZB die Käufe bis mindestens Jahresende 2024 fortsetzen. An den Märkten wird jedoch spekuliert, dass die Käufe früher einstellen werden könnten.

«Eine Entscheidung zum Pepp ist noch nicht zwingend zu erwarten, jedoch könnte die EZB in ihrer Pressemitteilung nicht länger ankündigen, die Reinvestitionen mindestens bis zum Jahresende 2024 fortsetzen zu wollen», können sich die Experten der Dekabank vorstellen.

(AWP)