Die Finanzmärkte stellen sich für die am Donnerstag anstehende Entscheidung des EZB-Rats fest darauf ein. Demnach dürfte der Einlagesatz, über den die Notenbank ihre Geldpolitik steuert, unverändert bei 2,0 Prozent belassen werden. Die EZB hat den Leitzins seit Juni 2024 bereits um zwei volle Prozentpunkte nach unten geschleust. Bundesbankchef Joachim Nagel plädierte unlängst für eine «Politik der ruhigen Hand», wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl Richtung Zinspause. «Grundsätzlich liegt eine weitere Zinssenkung in der Luft. Allerdings dürften die Notenbanker diese erst im September beschliessen und im Juli zunächst die Füsse still halten», so die Einschätzung von Commerzbank-Ökonom Marco Wagner.
Die Währungshüter werden wohl trotz der von US-Präsident Donald Trump geschwungenen Zollkeule pausieren, wie die Nachrichtenagentur Reuters unlängst von Insidern erfuhr. Demnach zögerten viele Notenbanker, nun bereits geldpolitisch auf etwas zu reagieren, was bislang nur als Drohung im Raum stehe. Trump hat angekündigt, dass ab dem 1. August Zusatzzölle von 30 Prozent anstelle des im April eingeführten Basiszollsatzes von zehn Prozent auf Importe aus der EU in Kraft treten sollen. Die EU hofft weiter auf eine Verhandlungslösung.
Laut dem Bundesbankchef darf es jedoch keine Zolleinigung «zu jedem Preis» geben. In den Verhandlungen müsse es darum gehen, dass die Unsicherheit mit Blick auf die Handelspolitik beseitigt werde. Die angekündigte Zollhöhe solle «deutlich reduziert» werden, im besten Fall gar nicht umgesetzt werden: «Das muss das Anliegen sein», so Nagel.
Der Ausgang des Zollkonflikts dürfte auch für den weiteren Verlauf der Inflation im Euroraum grosse Auswirkungen haben. Die Währungshüter haben im Juni ihr Inflationsziel von 2,0 Prozent exakt erreicht. Doch wenn Trumps Zollkeule die EU im August mit voller Wucht treffen sollte, könnte es mit den Preisen abwärts gehen, wie die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier prophezeit: Die Ökonomin sagte dem «Spiegel», höhere Zölle führten dazu, dass Waren nicht in die USA exportiert würden, die sonst dorthin ausgeführt würden. «Die müssen irgendwo anders hin, etwa innerhalb des europäischen Markts. Hier gäbe es dann mehr Angebot. Und damit sehr wahrscheinlich sinkende Preise.» Dies gelte selbst dann, wenn europäische Unternehmen langfristig weniger produzierten.
Zinssenkung im September?
Auch wenn nun zunächst wohl eine Zinspause anstehe, könne die weiterhin schwächelnde Euroraum-Konjunktur als Argument für eine weitere geldpolitische Lockerung im September angeführt werden, meint Commerzbank-Experte Wagner: «So dürfte die Euro-Wirtschaft im zweiten Quartal stagniert haben und auch für das dritte Vierteljahr rechnen wir nicht mit einer massgeblichen Erholung, die EZB erwartet gar einen Rückgang der Wirtschaftsleistung.»
Auch DWS-Volkswirtin Ulrike Kastens geht davon aus, dass die EZB mit ihren Zinssenkungen noch nicht am Ende ist: «Die neuen Projektionen im September sollten das nachhaltige Erreichen des Inflationsziels bestätigen. Zusammen mit der handelspolitischen Unsicherheit rechnen wir dann mit einer weiteren Zinssenkung um 25 Basispunkte auf 1,75 Prozent.» Sollte es jedoch zu einer Eskalation im Handelsstreit kommen, wäre aus Sicht der Expertin auch ein Schwenk zu einer expansiven Geldpolitik denkbar.
(Reuters)