Die europäischen Notenbanker, die sich diese Woche in Frankfurt treffen, werden voraussichtlich eine weitere Anhebung des Einlagensatzes um einen Viertelpunkt auf 3,75 Prozent bekannt geben, zusätzlich zu den 400 Basispunkten, die seit Juli letzten Jahres zur Straffung der Geldpolitik beschlossen wurden.
Es ist jedoch weniger wahrscheinlich, dass sie einen Ausblick auf die nächste Sitzung im September geben werden. Einige Ratsmitglieder drängen auf einen letzten Schritt bei diesem Termin, während andere eine Pause bevorzugen. Auch wenn sich einige der Falken im EZB-Rat in letzter Zeit zahm gezeigt haben, ist die Debatte noch in vollem Gange. Anleger und Ökonomen tendieren zu einem Zinsgipfel von 4 Prozent.
"Die grösste Herausforderung wird darin bestehen, deutlich zu machen, dass der EZB-Rat die Inflation in Richtung Zielwert bringen wird, dass aber dennoch das Ende des Zinserhöhungszyklus näher rückt", sagte Martin Wolburg, leitender Ökonom bei Generali Investments Europe. "Die Botschaft wird sein, dass die Zinssätze länger auf ihrem Höchststand bleiben werden."
Zinssenkung bereits im nächsten Frühjahr erwartet
Die Märkte von einer solchen Absicht zu überzeugen, erweist sich bereits jetzt als schwierig. Von Bloomberg befragte Analysten erwarten eine Senkung der Zinsen bereits im nächsten Frühjahr. Dass die EZB in der Vergangenheit nicht alle Ankündigungen auch umgesetzt hat, könnte diese Zweifel noch verstärken. So bezeichnete Präsidentin Christine Lagarde Ende 2021 Zinserhöhungen im folgenden Jahr als "sehr unwahrscheinlich".
Neben dem Versuch, ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, haben die EZB und andere grosse Zentralbanken einen Grossteil der letzten anderthalb Jahre damit verbracht, für eine sanfte Landung ihrer Volkswirtschaften zu sorgen, nachdem der Krieg Russlands in der Ukraine die Inflation in die Höhe getrieben und den Aufschwung nach der Pandemie zunichte gemacht hatte.
Die rasche Abfolge von Zinserhöhungen — die in der Regel mit einer Verzögerung von einem Jahr oder mehr wirksam werden — bedeutet, dass die noch ausstehenden Effekte der Geldpolitik für die Entscheidungsfindung der EZB ebenso wichtig sind wie die Vielzahl der Wirtschaftsdaten, die bis September eintreffen werden.
Inflation sinkt in Europa langsamer als in den USA
Ein Jahr nach dem Aufbruch der EZB ist die Inflation auf 5,5 Prozent gesunken, nachdem sie in der Spitze fast doppelt so hoch war — aber das liegt eher an der Umkehr der Erdgaspreise als an den bisherigen Massnahmen der Zentralbank. Werden Energie und Lebensmittel herausgerechnet, ist die Kerninflation weiter höher als vor 12 Monaten. Den Prognosen zufolge wird der Gesamtpreisanstieg erst im Jahr 2025 in der Nähe des 2 Prozent-Ziels liegen.
Die Wirtschaft ist bisher von einer Rezession verschont geblieben, auch wenn höhere Energierechnungen und Kreditkosten die Haushalte belasten. Ein überraschend starker Arbeitsmarkt stützt den Konsum. Einige Sektoren — insbesondere das verarbeitende Gewerbe — haben jedoch zu kämpfen. Die Produktion in Deutschland, dem grössten Mitgliedsland der EU, ist im Winter zurückgegangen. Jüngste Einkaufsmanager-Daten aus Frankreich und Deutschland lagen unter den Erwartungen.
Vor diesem Hintergrund sind sich die EZB-Vertreter uneins über den Endspurt bei ihren Zinserhöhungen.
Yannis Stournaras, der Chef der griechischen Zentralbank, hat davor gewarnt, dass das Wachstum unterdurchschnittlich ausfallen könnte, was eine schwächere Inflation implizieren würde. Auch der italienische Notenbankchef Ignazio Visco hat erklärt, dass der Preisdruck möglicherweise schneller als erwartet nachlässt. Beide werden wahrscheinlich eine Pause im September befürworten.
EZB zunehmend uneinig
Am anderen Ende des Spektrums hat Bundesbankpräsident Joachim Nagel argumentiert, dass es zu früh sei, den Sieg über die Inflation zu verkünden, und damit angedeutet, dass eine weitere Anhebung im Herbst notwendig sein könnte.
Nagels traditionell falkenhafter Amtskollege aus den Niederlanden, Klaas Knot, erklärte hingegen letzte Woche gegenüber Bloomberg TV, dass Schritte nach Juli "höchstens eine Möglichkeit, keineswegs aber eine Gewissheit" seien.
"Der EZB-Rat ist sich zunehmend uneinig darüber, wie viel weitere Straffung die Wirtschaft des Euroraums braucht", sagte Nerijus Maciulis, Chefvolkswirt der Swedbank. "Obwohl er wahrscheinlich die Tür für weitere Erhöhungen offen halten wird, wird er nicht wiederholen, dass die Aufgabe noch nicht erledigt ist."
(Bloomberg)

3 Kommentare
Sie denken, dass die Realzinsen in den nächsten fünfzehn Jahren negativ bleiben? - "Ja, absolut, das ist meine Überzeugung. Ich erwarte nicht, dass die Inflation sinken wird. Ich würde jetzt Gold kaufen und es für mindestens ein weiteres Jahrzehnt halten. Wir werden in die nächste Phase der finanziellen Repression eintreten. Die Repression ist eine politische Entscheidung, die darauf abzielt, die rekordhohe Schuldenquote der Welt zu senken."
Worum geht es bei finanzieller Repression? - "Um es unverblümt zu sagen: Sie stehlen peu à peu das Geld von alten Menschen."
Wie funktioniert das genau? - "Sie tolerieren oder fördern den Anstieg der Inflation, während Sie die nominalen Renditen niedrig halten. Sparer – sehr oft ältere Menschen – werden leiden, und Schuldner werden es lieben. Und Regierungen sind grosse Schuldner. Sie haben jeden Anreiz, diese Kombination aus hoher Inflation und niedrigen Zinsen herzustellen, um die Schuldenlast erträglicher zu machen. Finanzrepression ist der einzige politisch gangbare Weg, um die enormen Schuldenberge zu schrumpfen. Dann bestimmen Regierungen, oft durch die Regulierung von Anlagegesellschaften, wo die Menschen ihr Geld anlegen sollen. Wenn das passiert, neigt Gold dazu, wertvoller zu werden, weil Sie es verbergen können. Gold ist leichter zu verbergen als eine Anleihe oder ein Aktienportfolio."
Russell Napier: «Ältere Menschen werden schleichend bestohlen»
Der unabhängige Marktstratege warnt vor der verschärften Form der Finanzrepression. Die Welt werde für Investoren auf den Kopf gestellt.
Sylvia Walter
Publiziert: 09.11.2021, 16:06
Staat verteilt die Zinsen
"Am Ende werden die Zinsen also weniger als in früheren Zeiten über die Gewinne finanziert, sondern über Steuern von Privathaushalten und Unternehmen. Oder wie seit Jahren das Beispiel Deutschland zeigt: Auch aus dem Ausland fliessen die Zinseinnahmen – dank der grossen Leistungsbilanzüberschüsse der vergangenen Jahre (vgl. Grafik).
Profiteure des Zinsflusses sind auf Sektorenebene aber weiterhin die Kunden und die Eigentümer der Banken, Versicherungen und Fonds. Da aber der Unternehmenssektor als Zinsquelle ausfällt, bleibt dennoch eventuell weniger Spielraum für die Notenbank, über höhere Zinsen die Inflation zu dämpfen.
Zusammen mit der Profit-Preis-Spirale ist dies mehr als beunruhigend für die EZB. So zeigt doch gerade das Beispiel Italiens, was dem gesamten Euroraum drohen könnte (vgl. Grafik): Die Löhne stiegen Ende 2022 bereits stärker und tragen deutlich kräftiger zur Inflation bei. Die Unternehmen gleichen jedoch auch diesen Kostenschub über höhere Gewinnmargen aus. Dank und trotz der höheren Löhne bleibt es also bei einer Profit-Preis-Spirale."
Wenn alle Zinsen kassieren, können die Notenbanken einpacken
Im Euroraum steht der Unternehmenssektor kurz davor, zum Nettozinsempfänger zu werden. Dies dürfte die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank konterkarieren.
André Kühnlenz
Publiziert: 15.03.2023, 10:03
*ironie an*
Jaaaa endlich. Dann kann wieder Geld gedruckt werden.
*ironie aus*
Sparen lohnt sich nicht, weil der Euro verwässert wird. Es wird wieder unnötiger, nicht nachhaltiger Mist produziert, welechen die Leute kaufen.
Ich hoffe, dass immer mehr Menschen diesen FIAT Wahnsinn verstehen und reagieren.