Aus Sicht von Frankreichs Notenbank-Chef Francois Villeroy De Galhau und seines litauischen EZB-Ratskollegen Gediminas Simkus stehen noch weitere Schritte nach oben an. "Das Wesentliche ist getan, auch wenn es wahrscheinlich noch einige Zinserhöhungen geben wird", sagte Villeroy am Freitag dem Sender Radio Classique. Ziel sei es, den Kampf gegen die Inflation zu gewinnen, ohne eine Rezession auszulösen.
Die EZB hatte am Donnerstag die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Zugleich signalisierte ihre Präsidentin Christine Lagarde, dass das Ende der Fahnenstange damit noch nicht erreicht ist. Die Währungshüter nahmen allerdings den Fuß etwas vom Gas - noch im März war der Zinsschritt mit einem halben Prozentpunkt stärker ausgefallen. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt künftig bei 3,25 Prozent.
Die Dauer der Zinserhöhungen sei jetzt wichtiger als die Geschwindigkeit, sagte Villeroy. "Wir werden beharrlich sein, bis die Inflation unter Kontrolle ist." Die Tempoverringerung im Straffungskurs begründe sich damit, dass die vorangegangenen Zinsanhebungen sich nun langsam auf die Inflation auswirkten. "Wir sehen, dass die Wirkung der Zinserhöhungen die Wirtschaft durchdrungen hat." Er erwarte, dass die Teuerung bis 2025 auf die Zielmarke von zwei Prozent zurückgehen werde. "Vielleicht sogar bis Ende 2024", fügte er hinzu.
Auch aus Sicht von Litauens Notenbank-Chef Simkus ist die Arbeit der EZB noch nicht getan. Es gebe das Verständnis, dass die Zinsen weiter erhöht werden müssten, sagte er am Freitag zu Journalisten. Im Moment seien sie noch nicht hoch genug und müssten erneut angehoben werden. "Wir werden die Zinsen für eine hinreichend lange Zeit hoch belassen, um die Inflation wieder auf zwei Prozent zurückzubringen," führte Simkus aus.
Italiens Notenbank-Chef Ignazio Visco unterdessen hält den Zinsgipfel für bald erreicht. "Das ist vielleicht gar nicht so weit weg von dem, wo wir heute sind", sagte er am Freitag bei einer Buch-Präsentation in Rom. Der an den Finanzmärkten erwartete Zinshöhepunkt sei "ein wichtiger Referenzpunkt". Künftig könne die Geldpolitik nur mit Vorsicht in Richtung höherer Zinsen vorangehen. Am Geldmarkt wird derzeit erwartet, dass die EZB die Zinsen im Juni erneut um 0,25 Prozentpunkte anhebt. Der Zinshöhepunkt wird dann im September bei um die 3,65 Prozent beim Einlagensatz gesehen.
Volkswirte, die die Geldpolitik der EZB beobachten, haben unterdessen ihre Inflationsprognosen für das laufende Jahr leicht zurückgenommen. Die Ökonomen erwarten inzwischen für 2023 einen Anstieg der Verbraucherpreise um 5,6 Prozent, wie die EZB in Frankfurt mitteilte. Im Februar hatten die Experten noch eine höhere Inflationsrate von 5,9 Prozent vorausgesagt. Allerdings gehen sie inzwischen davon aus, dass im Jahr 2025 die Inflation mit 2,2 Prozent immer noch über der EZB-Zielmarke von 2,0 Prozent liegen wird. Noch im Februar hatten sie für 2025 2,1 Prozent Inflation vorausgesagt. Die EZB befragt in ihrem sogenannten Survey of Professional Forecasters (SPF) vier Mal im Jahr Volkswirte zu deren Wachstums- und Inflationsprognosen. Die Schätzungen der Experten geben der Zentralbank wichtige Anhaltspunkte für die Ausrichtung der Geldpolitik.
(Reuters)