Die nicht so gute Nachricht betreffe die Kerninflation, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert sind, sagte der Stellvertreter von EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Mittwoch im griechischen Delphi. "Die Kerninflation ist recht stabil und hartnäckig, viel hartnäckiger als die Gesamtinflation", sagte de Guindos dort in einer Diskussionsrunde, an der auch sein zyprischer EZB-Ratskollege Constantinos Herodotou teilnahm. Zugleich müsse aber auch auf die Finanzierungsbedingungen geschaut werden.

In der Kreditumfrage der EZB unter Banken für das Schlussquartal 2022 - der sogenannte Bank Lending Survey (BLS) - habe sich gezeigt, dass sich die Finanzierungsbedingungen verschärft hätten und die Nachfrage nach Krediten sinke, sagte de Guindos. "Und ich denke, dass ist etwas, was wir berücksichtigen müssen." Die EZB hat ihre Schlüsselzinsen seit Juli 2022 bereits sechs Mal in Folge angehoben - zuletzt Mitte März um 0,50 Prozentpunkte. Das nächste EZB-Zinsberatung ist am 4. Mai geplant. Zwei Tage zuvor stehen noch wichtige Daten an: Das europäische Statistikamt Eurostat veröffentlicht erste Inflationsdaten für die Euro-Zone im April. Zudem gibt die EZB die Ergebnisse der neuen BLS-Umfrage für das Auftaktquartal 2023 bekannt.

Im vergangenen Jahr seien im Euro-Raum die Gewinnmargen der Unternehmen stärker gestiegen als die Lohnstückkosten, sagte de Guindos. Aufgrund der konjunkturellen Abschwächung würden dieses Jahr die Gewinnmargen aber nicht mehr so stark steigen wie 2022. "Im Fall der Löhne dagegen haben wir eine Beschleunigung des Lohnwachstums gesehen", sagte er. 2023 würden die Löhne um mehr als fünf Prozent wachsen. "Und das ist eines der Elemente, die wir im Auge behalten müssen," merkte der EZB-Vize an.

Seinem EZB-Ratskollegen Herodotou zufolge ist die Euro-Notenbank mit ihrem Zinserhöhungskurs bereits in den Bereich vorgedrungen, ab dem eine Volkswirtschaft gebremst wird. Die Zinsschritte kämen zwar unterschiedlich schnell in den jeweiligen Volkswirtschaften der Euro-Länder an, sagte Herodotou in der Diskussionsrunde. "Aber am Ende des Tages sind wir beim straffenden Bereich angelangt." Die EZB sehe bereits, dass die Gesamtinflation dieses Jahr sinke. "Und wir werden die Kerninflation ebenfalls angehen." Anleger am Finanzmarkt rechnen damit, dass die Euro-Wächter kommende Woche die Schlüsselzinsen nur noch um 0,25 Prozentpunkte anheben werden.

Im März war zwar die Gesamtinflation in der Euro-Zone auf 6,9 Prozent zurückgegangen von 8,5 Prozent im Februar. Damit lag sie aber immer noch mehr als drei Mal so hoch wie das EZB-Ziel von zwei Prozent. Die Kernrate war im März allerdings auf 5,7 Prozent geklettert nach 5,6 Prozent im Februar. Das ist bereits der vierte Anstieg dieses wichtigen Inflationsmasses in Folge. Die Volkswirte der Citigroup gehen aktuell davon aus, dass die Gesamtinflation im April wieder angestiegen ist auf 7,1 Prozent, die Kerninflation sich dagegen auf 5,5 Prozent abgeschwächt hat.

(Reuters)