Die Gefahr einer zu niedrigen Inflation sei gering und auch der Anstieg des Euro zum Dollar sei kein grosser Grund zur Sorge, sagte der Spanier in einem am Montag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Die Gefahr, dass die Teuerung unter dem mittelfristigen Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent lande, sei sehr begrenzt. «Unserer Einschätzung nach sind die Inflationsrisiken ausgewogen.»

Die Inflation im Euroraum werde nach einem Rückgang auf 1,4 Prozent im ersten Quartal 2026 wieder auf das Zielniveau steigen. Ein Hauptgrund dafür sei die angespannte Lage am Jobmarkt und die anhaltende Forderung der Gewerkschaften nach kräftigen Lohnerhöhungen, die das Lohnwachstum bei drei Prozent halten dürfte, argumentierte de Guindos.

Die Währungshüter der EZB hatten Anfang Juni auf ihrer Sitzung zum siebten Mal in Folge die Zinsen gesenkt. Der am Finanzmarkt massgebliche Einlagensatz, mit dem die Zentralbank ihre Geldpolitik steuert, wurde um einen Viertelpunkt auf 2,00 Prozent nach unten gesetzt.

Nur noch eine Zinssenkung? «Märkte haben Lagarde verstanden»

De Guindos plädierte zwar nicht explizit für eine Pause bei der geldpolitischen Lockerung. Er sagte aber, dass Finanzinvestoren, die nun auf nur noch eine weitere Zinssenkung - womöglich gegen Ende 2025 - setzten, die Botschaft von EZB-Präsidentin Christine Lagarde richtig interpretiert hätten. «Die Märkte haben die Aussage der Präsidentin über die gute Ausgangslage sehr gut verstanden», erklärte de Guindos. «Ich denke, die Märkte glauben und berücksichtigen, dass wir unserem Ziel einer nachhaltigen Inflation von mittelfristig zwei Prozent sehr nahe sind.»

Der Euro stieg in den vergangenen drei Monaten zum Dollar um elf Prozent und erreichte am Donnerstag mit 1,1632 US-Dollar seinen höchsten Stand seit fast vier Jahren. Ein stärkerer Euro könnte nicht nur den Exporteuren zusätzlich zu den Import-Zöllen von US-Präsident Donald Trump einen weiteren Schlag versetzen, sondern auch die Einfuhrpreise weiter senken. De Guindos sagte, der Wechselkurs sei weder schwankend, noch habe er schnell aufgewertet. Dies seien aus seiner Sicht zwei wichtige Kennzahlen. «Ich denke, dass ein Eurokurs von 1,15 Dollar kein grosses Hindernis sein wird», betonte der ehemalige spanische Finanzminister. Er ist das dienstälteste Mitglied im EZB-Direktorium.

De Guindos dämpfte Spekulationen, der Euro könne dem Dollar bald den Status als Weltwährung streitig machen. «Die Rolle des Dollars als Reservewährung wird kurzfristig nicht infrage gestellt werden», sagte de Guindos. Der Dollar machte Ende 2024 rund 58 Prozent der weltweiten Devisenreserven aus. Das sind zwar zehn Prozentpunkte weniger als ein Jahrzehnt zuvor, doch der Anteil des Euro von rund 20 Prozent hat sich nicht erhöht.

(Reuters)