Auf einem von der US-Notenbank organisierten Geldpolitik-Symposium in Jackson Hole in Wyoming argumentierten sowohl EZB-Direktorin Isabel Schnabel als auch die Notenbank-Chefs von Frankreich und Lettland, Francois Villeroy de Galhau und Martins Kazaks, für kraftvolle oder signifikante Schritte. "Wir sollten offen dafür sein, sowohl 50 als auch 75 Basispunkte als mögliche Schritte zu diskutieren", merkte etwa Kazaks im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters am Rande der Konferenz an. "Aus gegenwärtiger Sicht sollten es mindestens 50 sein", sagte er.

Die EZB leitete im Juli im Kampf gegen die hochschiessende Inflation die Zinswende ein und hob dabei die Schlüsselsätze, anders als vorher in Aussicht gestellt, um kräftige 0,50 Prozentpunkte an. Der Leitzins liegt damit aktuell bei 0,50 Prozent. Es war die erste Erhöhung seit elf Jahren. Die nächste Zinssitzung ist am 8. September. Am Kapitalmarkt wurde zuletzt davon ausgegangen, dass die Währungshüter dann die Zinsen erneut um 50 Basispunkte anheben werden. Doch die Inflation ist zuletzt weiter gestiegen. Zudem nahm die Gefahr zu, dass sich die Inflationserwartungen vom Notenbankziel entfernen könnten.

"In diesem Umfeld müssen die Zentralbanken kraftvoll handeln", sagte Notenbank-Direktorin Schnabel. In einem Redebeitrag für eine Diskussionsrunde auf der Konferenz wies sie auf die Gefahr hin, dass Menschen beginnen, an der langfristigen Stabilität ihrer Währung zu zweifeln. "Je länger die Inflation hoch bleibt, desto grösser ist das Risiko, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen in unsere Entschlossenheit und Fähigkeit verliert, Kaufkraft zu bewahren", sagte sie. Die Kosten dafür, sollte sich die derzeit hohen Teuerungsrate in den Köpfen festsetzen, seien unangenehm hoch, warnte sie. Währungshüter müssten daher ihre "starke Entschlossenheit" zum Ausdruck bringen, die Inflation schnell zur Zielmarke zu bewegen.

Villeroy erwartet «signifikanten» Zinsschritt

Frankreichs Notenbankchef zufolge sollte die EZB vor dem Ende des Jahres das neutrale Niveau bei den Zinsen erreichen. "Nach einem weiteren signifikanten Schritt im September", sagte Villeroy auf der Konferenz. "Dies zu tun ist Normalisierung, den Fuss vom Gaspedal zu nehmen." Unter dem neutralen Zinsniveau verstehen Notenbanker das Zinsniveau, das die Konjunktur weder angeheizt noch bremst. Für Villeroy liegt dieses in der Euro-Zone in etwa zwischen ein und zwei Prozent. Falls es nötig sein sollte, sei die EZB auch willens, mit den Zinsen noch höher zu gehen, sagte er: "Haben Sie keinen Zweifel daran, dass wir bei der EZB die Zinsen bei Bedarf über die Normalisierung hinaus anheben würden."

Die Inflation war im Euro-Raum im Juli auf einen neuen Rekordwert von 8,9 Prozent gestiegen - in den drei baltischen Ländern liegt sie sogar inzwischen über der Marke von 20 Prozent. Lettlands Notenbank-Gouverneur Kazaks hält es inzwischen für sehr wahrscheinlich, dass die Euro-Zone in eine Rezession rutscht. "Bei dieser hohen Inflation wird es schwierig sein, eine Rezession zu vermeiden", sagte er. Das Risiko sei erheblich und eine technische Rezession - ein Rückgang der Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgen Quartalen - sei sehr wahrscheinlich.

Die hohe Inflation und die Gaskrise infolge des Ukraine-Kriegs bremsen die Wirtschaft derzeit erheblich. So sank in der Euro-Zone der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Privatwirtschaft, die den Industrie- und Servicesektor umfasst, im August auf ein 18-Monatstief. Die Talfahrt dieses wichtigen Barometers lässt nach Ansicht vieler Experten eine Rezession im Winterhalbjahr immer wahrscheinlicher erscheinen.

(Reuters)