Nach einem Zinsstakkato von inzwischen zehn Anhebungen in Folge und sich abschwächenden Inflationsraten rücken bei der EZB verstärkt die Konjunktur und die Anleihekurse in den Fokus. Aus Sicht von Frankreichs Notenbank-Chef Francois Villeroy de Galhau sollte die EZB eine sanfte Landung der Wirtschaft des Euro-Raums anstreben, wie er am Donnerstag auf einer Veranstaltung in Marrakesch sagte. "Wenn wir einem geldpolitischen Pfad folgen können, der eine sanfte Landung gewährleistet, ist das ein viel besserer Weg für unsere Mitbürger", sagte er. Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras zufolge sollte die EZB auch angesichts der Ereignisse in Israel und Palästina sehr vorsichtig sein und datenabhängig vorgehen.

Geldpolitische Geduld sei wichtiger für die Europäische Zentralbank (EZB) als Aktivismus, sagte Villeroy. Laut seinem Ratskollegen Stournaras sollte die EZB die geopolitische Unsicherheit mit in ihre Kalkulationen einziehen, wie er mit Blick auf den Angriff der Hamas auf Israel und die Folgen in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters sagte. "Natürlich ist es noch zu früh, um zu sagen, wie sich das auswirken wird, es wird von der Dauer abhängen, davon, ob sich das ausweitet oder ob es lokal bleibt."

Die Euro-Wächter haben inzwischen seit Sommer 2022 die Schlüsselzinsen um insgesamt 4,50 Prozentpunkte angehoben. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt inzwischen bei 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Noch im Juni 2022 hatte er bei minus 0,50 Prozent gelegen. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 26. Oktober.

Protokoll legt schwierige Entscheidung offen

Wie aus dem Protokoll der Zinssitzung im September hervorgeht, haben die Währungshüter bei dem Treffen hart um die zehnte Anhebung der Schlüsselsätze gerungen. "In Anbetracht der grossen Unsicherheit betonten Teilnehmer, dass die Entscheidung zwischen einer Zinserhöhung und einer Zinspause eine knappe Angelegenheit sei und dass auch taktische Überlegungen eine Rolle spielten," hiess es in dem am Donnerstag von der EZB veröffentlichten Dokument. Obwohl die Entscheidung eine knappe Angelegenheit gewesen sei, habe schliesslich eine solide Mehrheit eine Erhöhung um einen viertel Prozentpunkt unterstützt, hiess es darin. Erwägungen, wie die Sorge, dass eine Zinspause als mangelnde Entschlossenheit ausgelegt werden könnte, spielten der Mitschrift zufolge eine Rolle.

Stournaras wies in dem Reuters-Interview auch auf die gestiegenen Kreditkosten im Euro-Raum seit der Zinssitzung hin. Vor allem Italien war deswegen wieder ins Rampenlicht gerückt. An den Finanzmärkten war die Risikoprämie für italienische Staatsanleihen - der sogenannte Spread - im Vergleich zur zehnjährigen deutschen Bundesanleihe vor kurzem erstmals seit einem halben Jahr wieder über die Marke von zwei Prozentpunkten gestiegen.

Doch Stournaras blieb optimistisch. "Die Situation in Italien gibt im Moment keinen Anlass zu besonderer Sorge", sagte er. "Vorausgesetzt, die italienische Regierung berät sich mit der Europäischen Kommission und versichert Investoren, dass sie sich weiterhin an die bestehende Vereinbarung mit der Europäischen Kommission zum Haushaltsdefizit halten wird." Sloweniens Notenbankchef Bostjan Vasle hob die aus seiner Sicht wichtige Koordination von Geld- und Fiskalpolitik hin. Die Entwicklung der Renditenaufschläge sei als Mahnung an die Regierungen zu sehen, sagte er. "Fiskaldisziplin ist notwendig, um die Spreads zu schützen."

(Reuters)