Aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel muss die EZB wegen der hartnäckigen Inflation womöglich ihre Zinserhöhungen fortsetzen. «Haben wir die Hochebene erreicht? Das lässt sich noch nicht klar absehen», sagte er am Donnerstag laut Redetext auf dem Verbandstag der Sparda-Banken. Nagels EZB-Ratskollege Martins Kazaks, Lettlands oberster Währungshüter, treiben insbesondere die gestiegenen Energiepreise um. Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras dagegen äusserte sich deutlich optimistischer zur Inflationsentwicklung. Er sieht die EZB inzwischen auf dem Zinshöhepunkt angekommen.
Nagel zufolge sinkt die Inflation weiterhin nicht schnell genug in Richtung des EZB-Ziels von zwei Prozent. «Die Inflationsrate geht auch im Euroraum nicht im gewünschten Tempo in Richtung zwei Prozent:» Die Zinsen müssten daher hoch bleiben. «Die Leitzinsen werden ausreichend lange auf einem ausreichend hohen Niveau liegen müssen.»
Nagels EZB-Ratskollege Kazaks hat insbesondere den jüngsten Anstiegs der Energiepreise im Blick. «Das erzeugt aus meiner Sicht Aufwärtsrisiken für die Inflation,» sagte er am Donnerstag beim Reuters Global Markets Forum. Die Zinsen müssten nun voraussichtlich für eine beträchtliche Zeit restriktiv bleiben, um sicherzustellen, dass die Inflation nicht zurückkehre. Mit raschen Zinssenkungen rechnet er nicht. «Ich denke, Zinssenkungen für Mitte nächsten Jahres zu erwarten, ist etwas zu früh.»
Die EZB hatte vor einer Woche die Schlüsselsätze erneut um einen viertel Prozentpunkt angehoben. Der am Finanzmarkt massgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, stieg damit von 3,75 auf 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999.
Aus Sicht von Belgiens Notenbank-Chef Pierre Wunsch ist das Risiko, dass noch eine weitere Straffung erforderlich sein könnte, immer noch signifikant. «Ich bin mir nicht sicher ob wir das beziffern sollten, aber es ist sicherlich mehr als zehn Prozent und ich meine, es liegt nicht weit entfernt von 50 Prozent,» sagte er am Donnerstag auf dem Reuters Global Markets Forum. Ob mehr getan werden solle oder nicht entwickele sich zu einer schwierigen Frage. Mit einer Anhebung im Oktober rechnet er aber eher nicht. Der Notenbankchef der Niederlande, Klaas Knot, wurde noch deutlicher. «Ich denke, die Zinssätze sind derzeit auf dem richtigen Niveau für uns und ich glaube nicht, dass wir sie kurzfristig ändern müssen», sagte er dem niederländischen Sender Radio 1. «Ich erwarte, dass wir die Zinsen bei unserem nächsten Treffen nicht ändern werden.»
Stournaras warnt vor Abwürgen der Wirtschaft
Griechenlands Notenbank-Chef Stournaras warnte unterdessen davor, es mit der Straffungspolitik zu übertreiben. Die Geldpolitik wirke bereits stark und dämpfe die Nachfrage erheblich, sagte er in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der «Börsen-Zeitung». Der EZB lägen auch das Wachstum und die Beschäftigung am Herzen. «Wir sollten und müssen die Wirtschaft nicht komplett abwürgen. Die Inflation wird in den nächsten Monaten deutlich zurückgehen:» Geldpolitik wirke mit Verzögerung. «Angesichts der erheblichen geldpolitischen Straffung seit Juli 2022 ist also noch sehr viel restriktiver Impuls in der Pipeline.»
Aus Sicht von Stournaras ist der Zinsgipfel mittlerweile erreicht. Nun müssten die Zinsen erst einmal einige Monate auf dem Niveau gehalten werden. Danach wird der nächste Schritt aus seiner Sicht wahrscheinlich eine Zinssenkung sein.
(Reuters)